Förderung für Landärzte?
Auf dem Land fehlen immer mehr Ärzte, und die Bewohner sorgen sich um ihre Versorgung. Sind die Landarztquote und Stipendien für Studierende probate Gegenmittel oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Aurica Ritter, Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e. V.:
Studienförderungen zukünftiger Ärzte der ländlichen Primärversorgung können eine wertvolle Entlastung einzelner Studierender darstellen. Sie schaffen es jedoch nicht, den Herausforderungen in der langfristigen Sicherstellung einer hoch- und gleichwertigen Gesundheitsversorgung der Bevölkerung zu begegnen. Hierfür müssen Versorgungsstrukturen im deutschen Gesundheitssystem grundlegend überdacht und weiterentwickelt werden. Die Landarztquote lehnt die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland in diesem Kontext strikt ab.
Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes e. V.:
Wir begrüßen alle Initiativen, die dazu beitragen, die hausärztliche Versorgung langfristig sicherzustellen. Verbunden mit anderen Maßnahmen kann die Landarztquote ein Baustein dafür sein. Vorrangiges Ziel bleibt jedoch, mehr Hausärztinnen und Hausärzte auszubilden. Dazu muss die allgemeinmedizinische Ausbildung an den Hochschulen stärker gefördert werden, wie es der Entwurf der neuen Approbationsordnung vorsieht. So kommen Medizinstudierende frühzeitig mit dem Hausarztberuf in Kontakt – und können dadurch gefördert und motiviert werden, sich auch im ländlichen Raum niederzulassen.
Dr. Kirsten Kappert-Gonther, Bundestagsabgeordnete Bündnis 90/Die Grünen und Obfrau im Gesundheitsausschuss:
Durch eine Landarztquote werden notwendige Reformen vermieden. Gleichzeitig bleiben viele Fragen offen. Können junge Menschen so frühzeitig und auf so subtile Weise dazu verpflichtet werden, ihren späteren Lebensmittelpunkt festzulegen? Was passiert, wenn familiäre Erfordernisse einen Umzug in die Stadt notwendig machen? Vielmehr gilt es, Regionen fernab von Großstädten aufzuwerten, beispielsweise durch eine bessere Verkehrsanbindung. Nötig ist zudem ein echter Aufbruch mit wirksamen Schritten für mehr Zusammenarbeit und Vernetzung sowie für eine neue Aufgabenteilung zwischen den Gesundheitsberufen.
Professor Dr. Ferdinand M. Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität Frankfurt und Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit:
Die Landarztquote beruht auf einem fatalen populistischen Irrtum. Sie verlangt 19-jährigen Schülern eine viel zu weitreichende, rund 24 Jahre bindende Entscheidung ab. Öffentliche Studienplätze sind damit für wohlhabende Eltern erstmals käuflich. Die Tätigkeit von Landärzten wird nicht attraktiv dargestellt, sondern faktisch desavouiert. Zudem dauert es mindestens 16 Jahre, bis sie wirkt. Studien zeigen klar: Attraktive, strukturierte, mit Stipendien kombinierbare Landarztprogramme im Studium wirken schneller, effektiver und nachhaltiger.