Wie zu mehr Schutz vor Sepsis?
In Deutschland erkranken jährlich mehrere hunderttausend Menschen an einer Sepsis, viele sterben oder leiden an Langzeitfolgen. Was ist zu tun, um die Bevölkerung besser aufzuklären und so Leben zu retten?
Dr. Matthias Gründling, Universitätsmedizin Greifswald:
Wegen der vielen Patienten und der hohen Sterblichkeit ist Sepsis trotz zahlreicher Bemühungen ein unverändert relevantes Problem. Gemeinsame Anstrengungen zu mehr Qualität in der Prophylaxe, der Diagnostik und Therapie sind unverzichtbar. Verbindliche Qualitätsparameter, bessere Aufklärung der Bevölkerung und umfassende Schulung des medizinischen Personals sind nach Erfahrungen des Sepsisdialogs der Universitätsmedizin Greifswald der wesentliche Lösungsansatz. In der vom Bundesgesundheitsministerium geförderten Kampagne #DeutschlandErkenntSepsis werden wir frei verfügbare Schulungsmaterialien entwickeln.
Prof. Dr. Konrad Reinhart, Vorsitzender der Sepsis-Stiftung:
Die Sepsissterblichkeit ist durch Einführung verbindlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen im Gesundheitssystem und die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung in Infektionsprävention und Sepsisfrüherkennung halbierbar. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass „Critical Inzidenz Reporting“ (CIRS), die Schulung des medizinischen Personals in der Früherkennung akut lebensbedrohlich Erkrankter, die Vorhaltung von innerklinischen Notfall- anstatt Reanimationsteams verbindliche Standards werden. Die gesundheitliche Aufklärung sollte mit dem gleichen Aufwand erfolgen wie das bei Aids und Covid-19 der Fall ist.
Dr. Peter Walger, Vorstand Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene e. V.:
Für die Hygiene ist Sepsis ein zentrales Thema der Infektionsprävention. Ein erheblicher Anteil ist Folge im Krankenhaus erworbener Infektionen. Oft spielen multiresistente Erreger eine Rolle. Das Präventionspotenzial ist bei Weitem nicht ausgeschöpft, die Empfehlungen der nationalen Krankenhaushygienekommission müssen stärker beachtet werden. Blutstrominfektionen durch Gefäßkatheter können nahezu komplett verhindert werden, andere Ursachen zumindest zu hohen Anteilen und der Antibiotikaeinsatz erheblich verbessert werden. Impfungen gegen Pneumokokken, Influenza und auch gegen Covid-19 verhindern Sepsis. Die Impfung des medizinischen Personals schützt auch Patienten – hier besteht Nachholbedarf.
Dr. Melissa Spoden, Wissenschaftliches Institut der AOK (WIdO):
Die Morbiditätslast und Sterblichkeit bei Sepsis sind höher als angenommen. Bei der stationär behandelten Sepsis versterben 27 Prozent der Patientinnen und Patienten noch im Krankenhaus, nach einem Jahr sind 31 Prozent verstorben. Drei Viertel der Überlebenden werden im ersten Jahr wegen Sepsisfolgen behandelt. Bei einem Viertel treten psychische, physische und kognitive Diagnosen auf. Als Risikofaktoren gelten insbesondere im Krankenhaus erworbene und multiresistente Infektionen. Somit ist die wichtigste Präventionsmaßnahme neben der schnellen Behandlung die Infektionsprävention im Krankenhaus.