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Medizin

Denkanstöße für mehr Menschlichkeit

Jedes Medikament hat Nebenwirkungen, jeder noch so kleine Eingriff birgt Risiken. Und doch ist die Medikamenten­liste bei vielen Menschen lang und die Zahl der durchgeführten Operationen groß. Doch gesünder und zufriedener sind die Menschen nicht geworden, stellt Günther Loewit in seiner Landarztpraxis in Niederösterreich fest. Im Gegenteil: Der Strom seiner Patienten wächst weiter, Therapien werden unübersichtlicher, komplizierter und fehleranfälliger, wie er anhand von anekdotenreich erzählten Fällen kritisiert. Der Landarzt berichtet über schwerwiegende Neben- und Wechselwirkungen durch ­Medikamente, die Risiken scheinbar harmloser Vorsorgeuntersuchungen und die negativen Folgen, die manche Krebspatienten durch Chemotherapien zu tragen haben. Auch die psychosozialen Schäden durch die politischen Maßnahmen zur Pandemie­bekämpfung beschreibt der Autor anschaulich. In Hintergrundberichten zu jedem Fall macht er klar, dass er keinen Zweifel an dem Segen des medizinischen Fortschritts hegt. Doch er ist sich sicher, dass die Berücksichtigung von Ängsten, Sorgen und Lebensumständen in der Therapie erheblich mehr zur Heilung und Gesundung hätten beitragen können als Medikamente oder Operationen allein. Wertvoll sind Loewits Ratschläge, worauf Patienten bei anstehenden Untersuchungen und Thera­pien achten sollen.
Günther Loewit: Achtung, Medizin kann Ihrer Gesundheit schaden. 2022. 272 Seiten. 22 Euro. Edition a, Wien.

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Versorgung

Case Management nach Schlaganfall

Im Frühjahr endete das Modellvorhaben STROKE OWL der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Es zeigt, dass Schlag­anfallpatienten und ihre An­gehörigen von professionellen, verlässlichen Ansprechpartnern an ihrer Seite profitieren. Sie bieten Begleitung an und lotsen Betroffene durch den Dschungel der Hilfen. Damit das gelingt, sind eine umfassende Kompetenz der Lotsen und ein regionales, interdisziplinäres Versorgungsnetz erforderlich. Das Handbuch fasst die vielfältigen Erfahrungen des vierjährigen Projekts in kompakter Form zusammen. Ausgehend von der besonderen Versorgungssituation der Schlaganfallpatienten werden übersichtlich Prozessketten und einzelne Schritte anhand des Case-Management-Regelkreises genannt, wobei jedem Schritt eine zeitliche Komponente, Akteure, Tätigkeiten, gewünschte Ergebnisse, be­nötigte Dokumente und Hilfsmittel zugeordnet sind. Wie das standardisierte modulare System für die Qualifizierung zum Schlaganfall-Lotsen aufgebaut ist, wird ebenso anschaulich dargestellt, wie die Rahmenempfehlungen für ihre Implementierung. Als unverzichtbar wird die Netzwerkarbeit angesehen, weshalb die wichtigen Aspekte hierzu aufgeführt werden. Das Handbuch ist ein praxisnaher, hilfreicher Leitfaden für Fach­kräfte, Leitungen und Verantwortliche, die Schlaganfall-Lotsen implementieren wollen.
Michael Brinkmeier, Georg Galle (Hrsg.): Handbuch Schlaganfall-Lotsen. 2022. 72 Seiten. 29,99 Euro. Verlag medhochzwei, Heidelberg.

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Lebenswelten

Einblicke in junges Forschungsfeld

Das Ziel der Ottawa-Charta „Gesundheit für alle im Jahr 2000“ ist bis heute nicht verwirklicht. Nicht alle Bevölkerungsgruppen profitieren im gleichen Maß von der hohen Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens. Community Health als spezifischer Teil von Public Health hat das Ziel, systematische Benachteiligungen von Gruppen zu identifizieren und durch bedarfsgerechte Maßnahmen für eine Verbesserung zu sorgen. Der Sammelband, heraus­gegeben vom Department of Community Health an der Hochschule für Gesundheit Bochum, vermittelt einen Einblick in das noch junge Feld. Den Autorinnen und Autoren gelingt es, das Konzept von Community Health mit seinen disziplinübergreifenden An­sätzen, Perspektiven und Methoden aus unterschiedlichen Perspektiven heraus verständlich zu erläutern. Dabei benennen sie nicht nur Potenziale und Chancen, sondern gehen auch kritisch auf die Herausforderungen ein. Dass die Handlungsfelder durchaus breit gefächert sind, wird in zahlreichen Beiträgen vermittelt. Beispiele aus der Praxis, wie die altengerechte Quartiersentwicklung in Waltrop oder das Projekt „Gekonnt hanDeLn“ für Beschäftigte in Privathaushalten, zeigen, wie Community Health schon heute gelingen kann.
Department of Community Health (Hrsg.): Community Health. 2022. 433 Seiten. 39,95 Euro. Verlag Beltz/Juventa, Weinheim.

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Alzheimer

Zusammenhalt trotz schwerer Krankheit

Wie geht es Kindern chronisch kranker Eltern? Wie wirkt sich die Erkrankung auf das Familienleben aus? Oskar ist elf Jahre alt, als sein Vater mit Mitte 50 die Diagnose Alz­heimer erhält. Mit fünfzehn schreibt er in seinem berührenden Buch über den demenzkranken Vater und wie seine Geschwister und Mutter mit der belastenden Situation um­gehen. Einfühlsam schildert er den Prozess der zunehmenden Vergesslichkeit und der Wesensveränderung, die Veränderungen in seinem eigenen Leben und die sich wandelnde Beziehung zu seinem Vater. Offen und ehrlich teilt er seine Gefühle und Gedanken mit. Durch unbedingten Zusammenhalt gelingt es der Familie, die Lücke zu füllen, die die Krankheit verursacht. Einen alzheimerkranken Vater zu haben, klingt nicht gerade nach einem Privileg. Und doch hat der junge Autor seinem Buch genau diesen Titel ge­geben. „Man würde ohne Hürden für sein späteres Leben nie lernen, dass nicht immer alles nach Plan läuft und dass das Leben nicht nur anstrengend ist, sondern auch ungerecht sein kann.“ Oskars Buch ist nicht nur ein nachdenk­licher Bericht eines Teenagers über einen familiären Schicksalsschlag, sondern auch eine bewegende Betrachtung über das Leben und die Liebe.
Oskar Seyfert: Vom Privileg, einen kranken Vater zu haben. 2022. 64 Seiten. 12 Euro. Westend Verlag, Frankfurt/Main.

Beate Ebbers ist freie Journalistin in Peine.