Europas Daten vernetzen?
Die EU-Kommission plant, europaweit einen Gesundheitsdatenraum zu schaffen. Doch erleichtert diese Vernetzung tatsächlich den Datenaustausch oder sind damit auch Risiken verbunden?
Prof. Dr. Thomas Petri, Bayerischer Landesbeauftragter für den Datenschutz:
Der europäische Gesundheitsdatenraum soll Dienstleister von Krankenkassen bis hin zu Wellness-Anbieter verpflichten, elektronische Gesundheitsdaten, zum Beispiel Patientenakte und Abrechnungsdaten, an eine nationale zentrale Stelle zu übermitteln, die sie für die „sekundäre Nutzung“ außerhalb des Behandlungsverhältnisses verfügbar macht. Ein Widerspruch gegen die Weitergabe selbst hochsensibler Angaben soll offenbar nicht möglich sein, obwohl sie nicht nur öffentlichen, sondern auch wirtschaftlichen Nutzungsinteressen dient. Wo bleiben bei diesem Paradigmenwechsel die Mitspracherechte der Betroffenen?
Prof. Dr. Beate Jochimsen, Professorin für Volkswirtschaftslehre an der HWR Berlin und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen:
Die Idee ist sehr zu begrüßen. Ein europäischer Gesundheitsdatenraum ermöglicht, Daten aus elektronischen Patientenakten, Registern, Biodatenbanken und Abrechnungen europaweit interoperabel zu gestalten und so nutzbar zu machen. Dieses Datenvolumen, besser dieser Datenschatz, wird zu einem qualitativen Sprung in der Gesundheitsforschung führen – zum Wohl von jetzigen und künftigen Patienten. Notwendig sind ein klar geregelter Datenzugang, wirksame technische Sicherheitsstandards, um einen unbefugten Zugriff zu verhindern, sowie hohe Strafen bei Zuwiderhandlung.
Dennis Geisthardt, Politikreferent beim Bundesverband Gesundheits-IT – bvitg e. V.:
Die Schaffung einer verlässlichen Struktur für den verstärkten Datenaustausch ist überfällig und ein wesentlicher Meilenstein für ein datengestütztes Gesundheitswesen. Insbesondere die Potenziale, die aus der erweiterten Primär- und Sekundärnutzung von Gesundheitsdaten resultieren, sind immens und werden die Versorgung nachhaltig verbessern und Patienten nicht zuletzt besser in die Lage versetzen, informierte Gesundheitsentscheidungen zu treffen. Eine Herausforderung ist dabei erneut der zeitliche Horizont. Vom europäischen Trilog bis zur Umsetzung in nationales Recht ist es noch ein weiter Weg.
Prof. Dr. Guido Noelle, Geschäftsführer der gevko GmbH:
Ein gemeinsamer Gesundheitsdatenraum ist in einer zusammenwachsenden EU zwangsläufig und sinnvoll. Der Zeitplan ist allerdings ambitioniert. Wir werden innerhalb der nächsten zehn Jahre sicher noch keine einheitliche EU-weite technische Infrastruktur, sondern bestenfalls Informationen über Gateways und Schnittstellen zentralisiert bereitstellen können. Die Kommunikationsprozesse sind bislang nicht europäisch normiert. Dazu waren die landesspezifischen Aktivitäten in der Vergangenheit zu unterschiedlich. Ob die Vorbereitungen der gematik für die Telematikinfrastruktur 2.0 hier Abhilfe schaffen wird, bleibt abzuwarten.