Ernährung

Mehr Kontrolle bei Zusatzpräparaten

Nahrungsergänzungsmittel liegen im Trend. Aber ihre Einnahme kann die Gesundheit gefährden. Die Produkte sollten deshalb stärker kontrolliert werden, fordert Verbraucherschützerin Christiane Seidel.

Die Vitaminpille zum Frühstück,

der Proteinshake im Fitnessstudio, das Cannabis-Öl für den besseren Schlaf – Nahrungsergänzungsmittel sind für viele Menschen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Kein Wunder, dass das Geschäft boomt und immer mehr Menschen zu entsprechenden Mitteln greifen. 2020 wanderten nach Angaben des Marktforschungsunternehmens IQVIA Pillen und Pulver im Wert von 2,3 Milliarden Euro über Deutschlands Apothekentische – vor Ort und virtuell. Inzwischen kauft fast jeder Zweite ein oder mehrere Nahrungsergänzungsmittel pro Halbjahr, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) belegt. 2016 war es nur gut jeder Dritte.

Auch wenn die Hersteller mit allerlei Gesundheitsversprechen werben, ist die deutsche Bevölkerung in der Regel auch ohne die Präparate gut mit Vitaminen und Mineralstoffen versorgt. Das zeigt unter anderem die Nationale Verzehrsstudie. Die zusätzliche Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist daher oftmals nicht nur unnütz, sondern auch gefährlich. Darauf weist unter anderem das Bundesinstitut für Risikobewertung hin.

Verbotene Stoffe in vielen Produkten.

Im vergangenen Jahr untersuchte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) insgesamt 87 „Pre-Workout-Booster“, die vor dem Training eingenommen werden sollen. Das Ergebnis: Fast die Hälfte der Produkte enthielt gesundheitsgefährdende Stoffe. Am häufigsten wurden Dimethylaminoethanol (DMAE) und Synephrin nachgewiesen. DMAE kann unter anderem Schlaflosigkeit und Magenschäden verursachen. Synephrin wird häufig in Kombination mit Koffein angeboten und kann zu schweren Herzschäden führen. Hier zeigt sich ein grundlegendes Problem. Nahrungsergänzungsmittel gehörten in den vergangenen Jahren zu den Produkten, die von den Überwachungsbehörden am häufigsten beanstandet wurden. Dabei stoßen Lebensmittelkontrolleure und Verbraucherzentralen regelmäßig auf Produkte, die verbotene Inhaltsstoffe enthalten, mit unzulässigen Wirkversprechen beworben werden oder auch Krankheitserreger wie Salmonellen enthalten.

Social-Media-Profis verdienen kräftig mit.

Über die sozialen Medien preisen die Anbieter ihre Pillen und Pulver vor allem als Lifestyle-Produkte an und erschließen damit eine neue Zielgruppe. Influencerinnen und Influencer auf Plattformen wie Instagram und TikTok scheinen das richtige „Mittelchen“ für jede Lebenslage zu kennen und verdienen dabei kräftig mit. Die Umfrage des vzbv bestätigt: Rund ein Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten von Nahrungsergänzungsmitteln bezogen die Produkte aus dem Internet. Das rasante Wachstum des Onlinehandels stellt die Kontrollbehörden vor Herausforderungen. Nahrungsergänzungsmittel gelten rechtlich als Lebensmittel. Sie unterliegen damit der Kontrolle der kommunal organisierten amtlichen Lebensmittelüberwachung.

Der Onlinehandel darf nicht länger der blinde Fleck der Lebensmittelkontrolle sein.

Diese scheint jedoch angesichts des dynamischen Onlinemarkts und der globalen Unternehmen schlichtweg überfordert zu sein. Nahrungsergänzungsmittel werden daher nur unzureichend kontrolliert. Das Problem: Es gibt, anders als bei Arzneimitteln, keine unabhängige Stelle, die Nahrungsergänzungsmittel überprüft, bevor sie auf den Markt kommen. Zwar gibt es eine Anzeigepflicht beim BVL, doch diese reicht nicht aus, um die Sicherheit der Nahrungsergänzungsmittel zu gewährleisten. Allein im Jahr 2019 haben die Lebensmittelüberwachungsbehörden rund ein Viertel der untersuchten Nahrungsergänzungsmittel beanstandet.

Prüfung durch unabhängige Stelle.

Die Bundesregierung sollte ein nationales Prüfverfahren für Nahrungsergänzungsmittel etablieren. Nur Produkte, die von einer unabhängigen Stelle auf Sicherheit und Richtigkeit der Kennzeichnung geprüft wurden, sollen in den Handel gelangen dürfen. Neben verbindlichen Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe, die Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmitteln zugesetzt werden, müssen Standards für die Verwendung von pflanzlichen Stoffen geschaffen werden. Die Bundesregierung sollte sich für klare Vorgaben auf europäischer Ebene einsetzen. Schließlich müssen sich die Kontrollorgane an die Realitäten des 21. Jahrhunderts anpassen. Überwachungsstrukturen auf Ebene der Kommunen sind angesichts komplexer Unternehmen mit globalen Lieferketten nicht mehr zeitgemäß. Der Onlinehandel darf nicht länger der blinde Fleck der Lebensmittelkontrolle sein.

Christiane Seidel ist Referentin im Team Lebensmittel beim Verbraucherzentrale Bundesverband.
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