Im 15. Jahrhundert versuchten Ärzte, sich mit solchen Masken zu schützen.
Seuchengeschichte

Zwischen Pest und Corona

Kontaktverbot, Atemschutzmasken und Hamsterkäufe – das neuartige Corona-Virus hat das Leben weltweit verändert. Doch Seuchen begleiten die Menschheit schon lange. Abstandhalten und Quarantäne haben sich in der Geschichte bewährt. Von Ines Körver

Selbst wenn gegen Covid-19

bislang kein zugelassener Impfstoff existiert: Wissenschaftler haben viele Erkenntnisse darüber, wie Infektionen funktionieren und wie sich die Ausbreitung von Seuchen eindämmen sowie verlangsamen lässt. Sehr viel schlechter sah es da in der Antike aus, weiß Medizinhistoriker Professor Dr. Florian Steger. Der Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin in Ulm erzählt: „430 vor Christus mitten im Peloponnesischen Krieg überfiel die Attische Seuche, wie Thukydides schrieb, ‚jeden mit einer Wucht über Menschenmaß‘. Die Idee der Ansteckung wurde beschrieben, die Gesunden hielten sich von den Erkrankten fern, nur die bereits Genesenen wagten sich an diese ran.“

Die sozialen Folgen seien enorm gewesen, auch wenn diese Seuche einmalig und lokal auf Athen beschränkt blieb, so Steger. Über das gesamte Mittelmeergebiet breitete sich dann seit 541 nach Christus die Justinianische Pest aus. Diese dauerte zwei Jahrhunderte und kostete viele Menschenleben. Die Menschen hätten solche Seuchen meist noch als Strafen der Götter verstanden, sagt der Medizinhistoriker. Zeitgenössische medizinische Lehrbücher, zuerst die Hippokratischen Schriften, brachten dann natürliche Erklärungsversuche ins Spiel: die Atemluft des Erkrankten und Verunreinigungen in der Luft, damals Miasmen genannt.

Masken gegen den Schwarzen Tod.

Auf die Idee, dass konkrete Erreger die Seuchen verursachten, kamen die Menschen lange nicht, „auch wenn beispielsweise der frühneuzeitliche Arzt Girolamo Fracastoro mit seiner Idee der Krankheitssamen den richtigen Weg einschlug“, sagt Steger. Alle diese Infektionskrankheiten hießen Seuchen oder Pest.

Noch in der verheerenden Pestperiode des „Schwarzen Todes“ von 1348, die in Europa circa 20 Millionen Menschenleben kostete, herrschte vielfach die Vorstellung, Gott wolle die Menschen strafen. Und immer hätten Menschen nach Schuldigen gesucht: „Zum Teil wurden die Juden bezichtigt, Brunnen vergiftet zu haben, und auf erschütternde Weise verfolgt.“ Zugleich habe man erkannt, dass von den Erkrankten eine Ansteckungsgefahr ausging, erläutert der Medizinhistoriker. Schiffe mit Pestkranken mussten eine spezielle Flagge hissen und durften nicht anlegen. Die Quarantäne umfasste zuerst 1374 in Reggio d’Emilia zehn Tage und seit 1383 in Marseille 40 Tage. „1468 wurde in Venedig die erste ständige Quarantänestation in Europa eingerichtet – die Insel des Lazareto Novo,“ erklärt Steger. Andere machten Miasmen für die Seuchen verantwortlich. Man versuchte, auch mit Feuer dagegen anzuräuchern. „Ärzte trugen damals spezielle Schutzkleidung, auch eine Pestmaske, in deren Nase sich wohlriechende Substanzen gegen die Miasmen befanden.“

Abstandhalten wirkt auch heute.

Im 19. Jahrhundert beschrieben Wissenschaftler dann die Infektionskette der Pest. Das Bakterium Yersinia pestis, 1894 von dem Schweizer Biologen Alexandre Yersin entdeckt, wird durch den Biss eines infizierten und meist auf der Hausratte lebenden Flohs übertragen. „Wie man dann weiter verstand, sterben die Menschen an einer Sepsis“, so Steger. Heute könne man bei einer Infektion Antibiotika geben und besonders gefährdete Menschen präventiv impfen.
 
Und was bleibt – auch im Hinblick auf die aktuelle Pandemie? „Die Quarantäne wurde immer wieder eingesetzt – sei es bei der 1918 einsetzenden Spanischen Grippe, sei es Anfang 1970 beim letzten Ausbruch von Pocken in Deutschland. Abstandhalten ist auch heute eine wirksame Maßnahme. Ausgangsbeschränkungen sollten verhältnismäßig zum Einsatz kommen.“ Immerhin seien Einschränkungen von Freiheitsrechten gründlich zu rechtfertigen, resümiert Medizinhistoriker Steger.

Ines Körver ist Redakteurin beim KomPart-Verlag.
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