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E-Health

Zwischen Innovation und digitalem Stress

Die Anwendung digitaler Technologien im Gesundheitswesen ist nicht nur Gegenstand der Forschung in der Medizintechnik oder der Gesundheitswissenschaft, sondern wird auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften breit untersucht und diskutiert. Wie vielschichtig die Forschungsgegenstände und Problem­stellungen in diesem Bereich sind, beweist dieser Sammelband mit spannenden Forschungsbeiträgen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Im Fokus stehen Patientinnen und Patienten, ihre Angehörigen, Ärzte oder Pflegekräfte, aber auch institutionelle Akteure, wie Krankenkassen, Gesundheitsdienstleister oder Patientenverbände. Ausgewiesene Experten geben einen umfassenden und multidisziplinären Überblick über die zum Teil tiefgreifenden Veränderungen in Verhaltensweisen und Selbstverständnis. Thematisiert werden dabei unter anderem KI-gestützte Diagnoseverfahren, digitale Assistenzsysteme und vernetzte elektronische Patientendokumentationen. Dass die Digi­talisierung nicht nur nützliche Effekte, sondern auch ihre Schattenseiten hat, wird in Beiträgen zum digitalen Stress greifbar. Auch die zu erwartenden ethischen Probleme werden nicht außer Acht gelassen. Welche normative Orientierung hierbei anzusetzen wäre, diskutieren die Experten in einem eigenen Teil.
Alexandra Manzei-Gorsky, Cornelius Schubert, Julia von Hayek: Digitalisierung und Gesundheit. 2022. 398 Seiten. 84 Euro. Verlag Nomos, Baden-Baden.

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Erfahrungsberichte

Männer im Pflegeberuf

Stereotype Rollenbilder haben sich in vielen Köpfen fest­gesetzt und halten sich hart­näckig. Das trifft besonders auf die Pflege zu. Männer stellen zwar die Hälfte der Bevölkerung, in den Pflege­berufen machen sie jedoch nur 15 Prozent der Beschäftigten aus. Warum ist das so? Dieses Buch sucht Antworten und lässt dafür fünfzehn Pflegefachmänner im Alter zwischen 24 und 65 Jahren aus unterschiedlichen Fachbereichen schweizerischer Spitäler zu Wort kommen. Sie sprechen offen über ihre persönliche Motivation für die Berufswahl, gewähren einen vielfältigen Einblick in ihren Arbeitsalltag und reflektieren ihre Rolle in einem von Frauen dominierten Beruf. Erhellend sind die lebendig geschilderten Erfahrungen ihrer Arbeit in geschlechterdurchmischten Teams im Hinblick auf Pflegeleistung, Arbeitsklima und Zusammenhalt. Betroffen von der fehlenden gesellschaft­lichen Akzeptanz für Männer in Frauenberufen sind nahezu alle Protagonisten. Wie sie damit umgehen, wird ebenfalls erläutert. Eingerahmt sind die Berichte durch fünf Essays von Pflegeexpertinnen und -ex­perten aus dem schweizerischen Gesundheitswesen, die die geschilderten Erlebnisse aufgreifen und sie kundig, konstruktiv und kritisch einordnen. Dabei werden wesentliche berufspolitische Aspekte wie Akademisierung, Arbeits­bedingungen und Löhne, nicht außer Acht gelassen.
Sabine Meisel, Edita Truninger (Hrsg.): Auf weiblichem Terrain. 2022. 136 Seiten. 19,95 Euro. Verlag Hogrefe, Göttingen.

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Sterben

Gedankenaustausch über die Endlichkeit

Fast dreißig Jahre sind Elke Büdenbender und Eckard Nagel befreundet. Nun haben sie zusammen ein sehr persönliches Buch geschrieben, in dem die First Lady und Juristin sowie der Mediziner und Theologe über das Leben und Sterben sprechen. Beide haben durch persönliche Schicksalsschläge und berufliche Tätigkeit eigene Verlusterfahrungen und kennen Phasen des Abschiednehmens von Angehörigen und Freunden. Tiefgründig und behutsam ergründen beide den Umgang mit alten und kranken Menschen, die Möglichkeiten der Sterbe­begleitung und die heutigen Rituale nach dem Tod. Einfühlsam sprechen sie über gewählte Wege des Sterbens und thematisieren dabei die Hospizbewegung und die Palliativmedizin. Deutlich wird ihre unterschiedliche Sicht auf die Sterbehilfe: Während die Juristin das vom Bundesverfassungsgericht gestärkte Selbstbestimmungsrecht und Sterbehilfevereine verteidigt, lehnt der Mediziner die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung entschieden ab. „Es gilt, den Tod als Teil des Lebens zu begreifen“ ist Resümee und Forderung zugleich, die die beiden Autoren am Ende ihres langen Dialogs ziehen. Das Buch motiviert, diesem Anliegen nachzukommen und sich Ge­danken über das eigene Leben und sein Ende zu machen.
Elke Büdenbender, Eckhard Nagel: Der Tod ist mir nicht unvertraut. 2022. 224 Seiten. 24 Euro. Verlag Ullstein, Berlin.

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Europa

Aufruf zu mehr Ausgewogenheit

Wie blickt ein kleines Land wie die Niederlande auf das Beziehungsgefüge zwischen großen und kleinen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Union? Wie beurteilt es die Führungsposition der Schwergewichte Deutschland und Frankreich mit Sicht auf die Machtlosigkeit kleiner Staaten? Forciert dies nicht die Tendenz zu nationalstaatlichem Streben und gefährdet das Fortbestehen der Einheit? Dem niederländischen Europakenner René Cuperus gelingt es mit seinem Essay, die Stärken und Schwächen der Staatengemeinschaft zu verdeutlichen und gegenteilige Sichtweisen auf Europa kritisch zu hinterleuchten. Als Gegner einer forcierten, aufgezwungenen Vereinigung plädiert Cuperus für eine vorsichtige Balance zwischen einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Beibehaltung nationaler Identitäten. Denn, so verdeutlicht es der Historiker, die europäische Einheit ist unverzichtbar, um in einer globalisierenden Welt zu bestehen. Damit die Neu­gestaltung gelingen kann, räumt Cuperus mit sieben hartnäckigen Klischees von europhilen Neoliberalen und fremdenfeindlichen Nationalisten auf. Seine kenntnis­reichen Ausführungen liefern eine realistische Einschätzung und bereichern die Debatte über die Zukunft Europas.
René Cuperus: 7 Mythen über Europa. 2021. 200 Seiten. 18,90 Euro. Dietz-Verlag, Bonn.

Beate Ebbers ist freie Journalistin in Peine.