Aus dem Schmerz zurück ins Leben
Gezielte Medikation, Psycho-, Physio- und Ergotherapie, Kunst und Theater: Ein Programm aus vielen Bausteinen hilft Versicherten der AOK Bremen/Bremerhaven, die Chronifizierung von Schmerz zu verhindern oder zu durchbrechen. Von Jörn Hons
Er bohrt, er sticht, er zieht
unerträglich durch den Körper: Akuter oder chronischer Schmerz ist einer der häufigsten Gründe für Patienten, eine Arztpraxis aufzusuchen. Nicht selten ist damit eine jahrelange Leidensgeschichte verbunden. Die AOK Bremen/Bremerhaven bietet Versicherten mit starken akuten oder chronischen Schmerzen jetzt eine spezielle Schmerztherapie in Kooperation mit der Paracelsus-Klinik Bremen an.
Nach Schätzungen leiden mehr als 30.000 Menschen allein im Bundesland Bremen an chronischen Schmerzen. Sie sind wegen der Schmerzen häufig in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt, greifen auf starke Schmerzmedikamente zurück und können oft ihrer Arbeit nicht in vollem Umfang nachgehen. Außerdem haben sie durch die Krankheit deutliche Einbußen bei der Lebensqualität und den sozialen Kontakten.
Hier setzt die „multimodale Schmerztherapie“ der Abteilung Schmerzmedizin an der Paracelsus-Klinik an. Sie steht unter Leitung von Dr. Hubertus Kayser und Eva Maria Hoffmann. An der interdisziplinären Behandlung der Patienten sind verschiedene Berufsgruppen beteiligt. Neben einer breit angelegten fachärztlichen Behandlung verzahnt das multimodale Konzept Behandlungsbausteine wie Psychotherapie, Ergotherapie und Physiotherapie miteinander. Auch Kunst- und Theatertherapie stehen auf dem Behandlungsplan. Sogenannte Pain Nurses, Algesiologische Fachassistentinnen und -assistenten und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter komplettieren das Team.
Die Selbstständigkeit wiedererlangen.
Bei der multimodalen Schmerztherapie ist entscheidend, „die Patientinnen und Patienten ins Leben zurückzuholen“, betont Eva Maria Hoffmann. Mit gezielter Medikation, ausgewählten psycho- und physiotherapeutischen Methoden und Ergotherapie gelte es, eine Chronifizierung des Schmerzes zu durchbrechen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Patienten mit chronischen Schmerzen rutschen häufig in eine sogenannte Schmerzkrankheit. Der Schmerz bestimmt ihr Leben, die Alltagsaktivitäten werden immer mehr eingeschränkt und die Menschen vermeiden auch immer mehr soziale Kontakte.
Die Verbesserung der Lebensqualität im Alltag sowie das Erlernen eines besseren Umgangs mit den Schmerzen stehen im Mittelpunkt der Behandlung.
Typisch ist bei diesen Patienten, dass sie bereits lange erfolglos behandelt wurden – sei es durch eine Operation, eine unimodale Schmerztherapie oder den fehlgeschlagenen Entzug von Schmerzmitteln. Dazu kommen nicht selten psychische Begleiterkrankungen wie eine depressive Störung, Angststörung oder posttraumatische Belastungsstörung. Die Verbesserung der Lebensqualität im Alltag sowie das Erlernen eines besseren Umgangs mit den Schmerzen stehen deshalb im Mittelpunkt der Behandlung. „Wir wollen, dass unsere Versicherten damit die Möglichkeit bekommen, diesen Teufelskreis des Schmerzes zu durchbrechen“, so der AOK-Vorstandsvorsitzende Olaf Woggan. Die multimodale Schmerztherapie sei für die Betroffenen auch ein Weg, Selbstständigkeit wiederzuerlangen – im Privat- und auch im Berufsleben.
Den Stress reduzieren.
Als sehr hilfreich haben sich laut Hubertus Kayser deshalb auch die Kunst- und Theatertherapie sowie individuell zugeschnittene, App-basierte Übungsprogramme herausgestellt. Hier werden Ressourcen geweckt, und die Patienten erhalten die Möglichkeit, ihren Schmerz für kürzere oder auch längere Momente zu „vergessen“ – eine wichtige Erfahrung für viele, die sich ein schmerzfreies Leben oft nicht mehr vorstellen können. Die Paracelsus-Klinik Bremen arbeitet dabei eng mit der „Hochschule für Künste im Sozialen“ in Ottersberg zusammen.
Zusätzlich werden Schulungen für Schmerzpatienten angeboten, um die Abläufe im eigenen Körper besser zu verstehen, Stress zu reduzieren und den Umgang mit Schmerzen zu verbessern. Hubertus Kayser fasst die Ziele des Konzeptes so zusammen: „Wir möchten den Fokus der Menschen von den Schmerzen auf ein Leben mit mehr Lebensqualität lenken, in dem der Schmerz seine alles bestimmende Funktion verliert.“