Interview

„Die EU-Zusammenarbeit führt zu erheblich mehr Effizienz“

Mehr als drei Jahre nach dem ersten Vorschlag der EU-Kommission für ein gemeinsames Vorgehen bei der Bewertung neuer Gesundheitstechnologien (Health-Technology-Assessment) biegen Europaparlament, Rat und Kommission auf die Zielgerade. Der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken ist optimistisch, dass es in diesem Jahr zu einer Einigung kommt.

Herr Wölken, im Europäischen Rat haben sich vor allem die Regierungen Deutschlands, Frankreichs und Spaniens gegen zu viel EU-Verbindlichkeit ausgesprochen. Sie fürchten, dass hohe nationale HTA-Standards durch die EU-Zusammenarbeit unterlaufen werden könnten. Ist diese Sorge berechtigt?

Tiemo Wölken: Nein. In der Koordinierungsgruppe sitzen Expertinnen und Experten aus allen Mitgliedsländern. Sie sind dafür zuständig, die Methodologie, die Arbeitsweise und andere Rahmenbedingungen für die gemeinsame Arbeit festzulegen. Nach der Position des Rates soll es zudem nur eine schrittweise Einführung geben, beginnend mit bestimmten Arzneimitteln, so dass es eine Art Eingewöhnungsphase der Koordinierungsgruppe geben wird. Damit ist sichergestellt, dass klinische Bewertungen aufgrund europäischer Zusammenarbeit nicht leiden. Es werden übrigens nur die klinischen Aspekte der neuen Technologie auf EU-Ebene analysiert. Andere Aspekte der Bewertung, wie Preisgestaltung und Erstattung, sowie ethische Erwägungen, verbleiben weiterhin in der Verantwortung der Mitgliedstaaten.

Porträt von Tiemo Wölken, SPD-Europaabgeordneter

Zur Person

Tiemo Wölken ist seit November 2016 Abgeordneter des Europaparlamentes für den niedersächsischen Bezirk Weser-Ems. Im Parlamentsausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) ist der 35-jährige SPD-Politiker Parlamentsberichterstatter für das Thema HTA-Zusammenarbeit.

Welche Vorteile hätte aus Ihrer Sicht das vom Parlament gewünschte verbindliche gemeinsame HTA-Vorgehen für Deutschland?

Wölken: Die Entwicklung von Arzneimitteln und auch neuer Medizintechnologien geht immer schneller. Das gemeinsame Vorgehen hat den Vorteil, dass wir die Expertise aller Mitgliedsländer nutzen können. Das hilft besonders dann, wenn wir im Bereich von Nischenprodukten Spezialistinnen und Spezialisten benötigen. Außerdem wird die Zusammenarbeit auf EU-Ebene zu erheblich mehr Effizienz führen. Die Einzelstaaten können knappe Ressourcen besser einsetzen, sich auf die für ihr Land wichtigen Fragen konzentrieren und gleichzeitig die auf EU-Ebene gesammelten umfassenden Daten nutzen. Die Kooperation wird dementsprechend zeitnahe Ergebnisse und Beständigkeit bei hoher Qualität bieten. Das ist auch für Patientinnen und Patienten in Deutschland vorteilhaft.

Wie stehen denn aus Ihrer Sicht generell die Chancen, dass sich Parlament und Rat noch in diesem Jahr auf eine gemeinsame Linie einigen?

Wölken: Beide Seiten wollen den Abschluss noch im laufenden Jahr. Die Triolog-Gespräche zwischen Parlament, Rat und Kommission haben am 26. April begonnen, die nächste Verhandlungsrunde findet am 31. Mai statt. Ich bin optimistisch, dass wir einen Kompromiss hinbekommen.

Thomas Rottschäfer führte das Interview. Er ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
Bildnachweis: www.tiemo-woelken.de