Wie zur Organspende bewegen?
Immer noch warten viele Menschen auf ein Spenderorgan und zu wenige Menschen sind bereit, ihre Organe nach dem Tod zu spenden. Brauchen wir eine Widerspruchslösung oder hilft mehr Aufklärung?
Prof. Dr. Bruno Meiser, Leiter des Transplantationszentrums am Uniklinikum München:
Alle kürzlich implementierten Maßnahmen, wie bessere Vergütung der Spenderkrankenhäuser oder Rufbereitschaftsdienst zur Feststellung des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls haben nicht die erhoffte Wirkung gehabt. Uns fehlt die Widerspruchsregelung. Etwa 85 Prozent haben keinen Organspendeausweis, folglich müssen die Angehörigen für den Verstorbenen entscheiden. Diese sind damit häufig völlig überfordert. Fast alle europäischen Länder haben die Widerspruchsregelung gesetzlich verankert, nur bei uns ist ihre Einführung – durch Politikerversagen – gescheitert. Dabei ist die Mehrheit der Bevölkerung dafür.
Sandra Zumpfe, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes der Organtransplantierten e. V.:
Um die Bereitschaft zur Organspende zu erhöhen, ist eine umfassende Aufklärung unerlässlich. Vor allem weiterführende Schulen bieten eine gute Gelegenheit, um bereits frühzeitig über Organspende zu informieren. Eine gute Aufklärung sollte nicht nur medizinische Aspekte behandeln, sondern auch ethische, moralische und rechtliche. Die Einführung einer Widerspruchsregelung muss Teil des Konzepts sein. Organspende sollte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe betrachtet werden und die Aufklärung über das Thema als kontinuierlicher Prozess.
Dr. Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation:
Umfragen belegen die große Unterstützung für die Organspende in der Bevölkerung. Vielfach fehlt jedoch der entscheidende Impuls, eine persönliche Entscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren. So wird die Entscheidung häufig den Angehörigen überlassen. Die politisch und gesellschaftlich getragene Einführung der Widerspruchslösung könnte eine aktive Auseinandersetzung von jedem Einzelnen mit dem Thema fördern. Zugleich wäre sie ein klares Signal, dass die Gesellschaft hinter der Organspende steht. In den Kliniken würde die Frage nach einer möglichen Organspende zur Normalität werden.
Prof. Dr. Claudia Wiesemann, Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen:
Die Widerspruchslösung verschleiert ein wichtiges Problem des Organspende-Systems: Die Krankenhäuser melden zu wenig potenzielle Organspender. Wichtige organisationsethische Probleme werden nicht ausreichend angesprochen: Gerade noch haben die Mitarbeitenden auf der Intensivstation um das Leben des Patienten gekämpft, jetzt soll alles auf eine Organentnahme zugunsten eines unbekannten Dritten ausgerichtet werden. Sie ringen mit moralischen Verpflichtungen und Interessenskonflikten in der Transplantationsmedizin. Deshalb muss man sie ernst nehmen und zu verantwortungsvollem Handeln befähigen.