Arzneimittel-Strategie

Streit um Pharma-Gutscheine

Die EU-Kommission hat die Vorstellung ihrer Pläne für eine grundlegende Neufassung der Arzneimittelgesetzgebung erneut verschoben. Hinter den Kulissen geht es vor allem um den Umfang der Förderung von Pharmaunternehmen. Von Thomas Rottschäfer

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der Vorschlag der EU-Kommission für eine neue EU-Arzneimittelgesetzgebung. Der Entwurf sickerte im März durch. Die bereits mehrfach verschobene Präsentation lässt weiter auf sich warten. Der Druck auf die Kommission ist immens. Denn Ziele der Reform sind einerseits die bessere Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit von innova­tiven Medikamenten in allen EU-Staaten sowie eine ökologisch nachhaltige und faire Arzneimittelproduktion. Andererseits geht es um die strategische Autonomie der EU, um sichere Lieferketten und um die Wettbewerbsfähigkeit der europä­ischen Pharmaindustrie.

Strategiewechsel seit langem geplant.

Die neue Arzneimittelstrategie ist keine unmittelbare Reaktion auf die Corona-Krise. Sie bezieht wichtige Konsequenzen aus der Pandemie ein, greift aber vor allem bereits seit vielen Jahren diskutierte politische Initiativen zur Modernisierung der EU-Gesetzgebung auf. Laut geleaktem Gesetzentwurf plant die Kommission zwei neue Arzneimittelgesetze. So soll zum einen die EU-Richtlinie zur Schaffung eines EU-Kodex für Humanarzneimittel neu gefasst werden. Zum anderen sollen fünf bestehende Einzelverordnungen zu einem gemeinsamen Gesetzestext zusammengeführt werden. Das beträfe die EU-Vorgaben zur Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln, zur Arbeit der EU-Arzneimittelagentur (EMA) sowie Regelungen zu neuartigen Arzneimitteltherapien, klinischen Prüfungen, Kinderarzneimitteln und Medikamenten für seltene Erkrankungen.

Andere Regeln beim Patentschutz.

Bestehende Patentschutzfristen für neue Medikamente will die Kommission an bestimmte Bedingungen knüpfen: strengere klinische Studien mit Vergleichstherapien, die uneingeschränkte Verfügbarkeit in allen EU-Staaten und das Ab­decken eines bisher unzureichend versorgten medizinischen Bedarfs. Auch für die Schutzfristen für Medikamente gegen seltene Erkrankungen (Orphan Drugs) sollen besondere Bedingungen gelten.

Zudem plant die Kommission An­reize für die Entwicklung neuartiger Antibiotika zur Behandlung von Infektionen durch multiresistente Krankheitserreger. Die Entwicklung neuartiger Antibiotika soll künftig durch übertragbare Exklusivitätsgutscheine belohnt werden. Über einen solchen Voucher (TEE – Trans­ferable Exclusivity Extension) könnte der Hersteller eines neuen Antibiotikums unter bestimmten Bedingungen ein­malig den Patentschutz für ein bereits zugelassenes Arzneimittel um ein Jahr verlängern und so besonders umsatzstarke Medikamente länger vom Generika-Wettbewerb abschotten. Laut Gesetz­entwurf dürfte der Voucher auch an ein anderes Unternehmen verkauft werden.

Kritik von den Krankenkassen.

Die deutschen Krankenkassen lehnen ein solches Voucher-System ab. Es sei ungeeignet, Gesundheitssysteme bezahlbar zu halten und gleichzeitig Innovationen zu belohnen, heißt es in einem Statement der Europavertretung der Deutschen Sozialversicherung (DSV). Die Kommission bemesse den Wert eines Vouchers mit rund 360 Millionen Euro. Angewandt auf „profitable Blockbuster“ könne es aber schnell um jährliche Umsätze von mehr als einer Milliarde Euro gehen. Außerdem garantiere die Marktzulassung eines neuen Antibiotikums noch nicht die Verfügbarkeit in allen EU-Ländern. „Übertragbare Voucher bevorzugen zudem systematisch große Pharmaunternehmen, die in ihrem Portfolio entsprechend umsatzstarke Arzneimittel haben, für die sich der Kauf eines Vouchers lohnt“, warnt die DSV. So erreiche nur ein Teil der finanziellen Anreize tatsächlich die Antibio­tika-Entwickler und -Produzenten, bei denen es sich oftmals um kleinere Unternehmen handele.

Die DSV verweist auf Förderalternativen, darunter mengenunabhängige Markteinführungsprämien, direkte Forschungsförderung oder EU-weite Einnahmegarantien für die Entwickler. Neben der Entwicklung neuer Antibiotika müsse es zudem darum gehen, vorhandene Medikamente und insbeson­dere Reserveantibiotika zurückhaltend und indikationsgerecht einzusetzen.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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