Der unterschätzte Notfall
Bei einer Sepsis – im Volksmund Blutvergiftung – ist zügiges, zielgerichtetes Handeln oberstes Gebot. Hier haben Deutschlands Kliniken Nachholbedarf, wie die Analyse von PD Dr. med. habil. Matthias Gründling zeigt. Der Intensivmediziner plädiert für eine deutschlandweite Qualitätsinitiative, um Vorbeugung, Diagnose und Therapie der verkannten Gesundheitsgefahr zu verbessern.
Extremes Krankheitsgefühl, Todesangst, Verwirrtheit, schnelle Atmung, Fieber oder Schüttelfrost: Solche und weitere Symptome können für eine Sepsis sprechen. Dabei reagiert das körpereigene Abwehrsystem so stark auf eine Infektion, dass es Gewebe und Organe schädigt. Im schlimmsten Fall, dem septischen Schock, liegt die Sterblichkeit bei über 50 Prozent. Die überlebenden Patienten kämpfen häufig mit gravierenden Folgen. Frühes Erkennen, schnelle Diagnostik und Therapie der Sepsis verbessern die Überlebensmöglichkeiten und führen zu weniger schweren Verlaufsformen.
Bei Sepsis ist alles anders.
Die moderne Hochleistungsmedizin kann fast jede Krankheit diagnostizieren, viele Erkrankungen heilen oder zumindest lindern. Dahinter stehen etablierte, finanzierte und akzeptierte Prinzipien in Prophylaxe, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation. Bei Sepsis ist alles anders. Obwohl es sich um einen medizinischen Notfall wie Herzinfarkt oder Schlaganfall handelt, erfolgt die Versorgung nicht nach denselben Prinzipien. Sepsis-Überlebende berichten regelmäßig, dass die Erkrankung zu spät erkannt wurde, dass keiner die Sepsis „auf dem Zettel hatte“, dass Diagnostik und Therapie nur schleppend in Gang kamen und dass eine strukturierte Rehabilitation fast nicht existiert. In Deutschland sterben jährlich zwischen 70.000 und 90.000 Menschen an einer Sepsis – deutlich mehr als an Herzinfarkt oder Schlaganfall. Dabei ist Sepsis zu verhindern, denn gegen die zugrunde liegenden Infektionen gibt es Medikamente. Mit einfachen Maßnahmen des Qualitätsmanagements ließen sich in Deutschland tausende Sepsis-Todesfälle vermeiden.
Wissenslücken bei Laien und Experten.
Das Bemühen um eine Verbesserung der Situation trifft auf eine komplizierte Gemengelage. In der Bevölkerung sind die Möglichkeiten der Prophylaxe, die Frühwarnzeichen, der Notfallcharakter und das Ausmaß der Sepsis weitgehend unbekannt. Auch unter medizinischen Fachkräften aller Berufsgruppen bestehen erhebliche Wissensdefizite. In der Ausbildung ist das Thema weit unterrepräsentiert. Die Weltgesundheitsorganisation hat 2017 die Sepsis als eine globale Bedrohung erkannt und die Verbesserung von Prävention, Diagnose und Management der Sepsis in einer Resolution gefordert (siehe Kasten „Global Sepsis Alliance“). Doch in Deutschland besteht bisher kein erkennbarer Wille von Bundesregierung, Kostenträgern, Leistungserbringern und Selbstverwaltung, gemeinsam diese Herausforderung anzunehmen. Zudem beginnt die Sepsis unspezifisch, es fehlen sichere, einfach zu bestimmende Laborwerte und die Behandlungskonzepte sind sehr individuell.
Synergien mit bestehenden Strukturen nutzen.
Eine Vielzahl internationaler Initiativen, beispielsweise in den USA, Großbritannien und Australien, zeigt, dass es sich dabei aber nicht um eine ausweglose oder schicksalhafte Situation handelt. Voraussetzung für positive Veränderungen ist eine politisch gewollte, von den Kostenträgern finanzierte und von den Leistungserbringern mit Eigeninitiative und Ideen umgesetzte deutschlandweite Qualitätsinitiative.
Mit einfachen Maßnahmen ließen sich in Deutschland tausende Sepsis-Todesfälle vermeiden.
Verschiedene medizinische Organisationen unter Schirmherrschaft des Aktionsbündnisses Patientensicherheit haben sich auf die Fahnen geschrieben, einen Nationalen Sepsisplan zu entwickeln (siehe Kasten „Initiative für einen Nationalen Sepsisplan“). Ziel ist eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung, eine strukturierte, standardisierte und sektorenübergreifende Ausbildung in allen medizinischen Berufen zum Thema Sepsis sowie die Einführung eines verbindlichen Qualitätsmanagements mit einfach zu erhebenden und standardisierten Qualitätsparametern. Die Beteiligten eines solchen Projektes sollten Synergien mit bestehenden Strukturen des Qualitätsmanagements und der Infektiologie sowie Hygiene sinnvoll nutzen.
Ähnlich häufig wie Schlaganfall und Herzinfarkt.
Um die Dringlichkeit des Handelns zu unterstreichen, lohnt ein Blick auf die Ausgangslage. Die Häufigkeit der Sepsis hat in den vergangenen Jahren sowohl international wie auch in Deutschland zugenommen. So kodierten Kliniken im Jahr 2015 hierzulande rund 320.000 Sepsisfälle – das entspricht 370 Fällen pro 100.000 Einwohner (siehe Tabelle „Klinik-Daten: Zahl der Sepsis-Fälle steigt an“). Im Jahr 2010 waren es noch rund 230.000 (280 pro 100.000 Einwohner). Im Jahr 2015 starben 75.227 Patienten an einer in einer Klinik kodierten Sepsis. Die Krankenhaussterblichkeit betrug 2013 bei schwerer Sepsis beziehungsweise septischem Schock 44 bis 59 Prozent (Fleischmann, Deutsches Ärzteblatt, 2016). Damit ist die Erkrankung die dritthäufigste Todesursache in deutschen Krankenhäusern. Internationale Untersuchungen bei Notfallpatienten zeigen bereits höhere Inzidenzen für Sepsis als für Schlaganfall oder Herzinfarkt.
Schwerwiegende Folgen berücksichtigen.
Viele Patienten berichten nach überlebter Sepsis über kognitive, psychische und motorisch-funktionelle Defizite. Nach Ergebnissen einer 2016 von Sachin Yende et al. veröffentlichten Studie auf Basis internationaler Daten waren nach überlebter Sepsis ein Drittel von zuvor gesunden Patienten nach sechs Monaten weiterhin in stationärer Behandlung oder pflegebedürftig. Patienten mit Sepsis müssen im Vergleich zu anderen Patienten häufiger erneut stationär aufgenommen werden. Ein Jahr nach überlebtem septischen Schock sind nur 43 Prozent der zuvor Berufstätigen wieder arbeitsfähig. Die direkten Kosten für das deutsche Gesundheitssystem schätzten Wissenschaftler aus Jena und Hannover auf Grundlage von Daten aus den Jahren 2007 bis 2013 pro Sepsis-Fall auf 25.000 bis 36.000 Euro. Damit verursacht die Krankenhausbehandlung, die mit mehr als neun Milliarden Euro zu Buche schlägt, drei Prozent der Gesamtkosten des Gesundheitssystems. Hinzu kommen indirekte Kosten durch Langzeit-Heimbeatmung (in Deutschland rund 250.000 Euro pro Jahr und Patient) und Produktivitätsausfall.
Bessere Hygiene allein reicht nicht.
Damit es erst gar nicht zu einer Blutvergiftung kommt, sollte sich das Augenmerk auf die Prophylaxe richten. Hier ist eine Stärkung der Abwehrkräfte beispielsweise durch gesunde Ernährung und sportliche Betätigung relevant. Einen entscheidenden Beitrag zur Prävention einer Sepsis leistet die Einhaltung von Hygienestandards. Neben spezifischen Maßnahmen zur Infektionsprävention (zum Beispiel zur Vorbeugung vor mit Beatmungsgeräten assoziierten Lungenentzündungen) sind die strikte Händehygiene und ein standardisiertes Vorgehen beim Umgang mit multiresistenten Erregern (Screening von Risikopatienten und in Risikobereichen, Isolation) wichtig. Entsprechend den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten besonders gefährdete Patientengruppen wie beispielsweise Schwangere, Patienten mit chronischen Erkrankungen oder Funktionsunfähigkeit der Milz, geimpft werden. So empfiehlt die STIKO etwa die Pneumokokken- und Grippe-Impfung für über 60-Jährige.
Sepsis ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Mit circa 75.000 Todesfällen pro Jahr ist die Sepsis hierzulande häufiger als Herzinfarkt, Brust- oder Darmkrebs. Ein Nationaler Sepsisplan soll helfen, viele dieser Leben zu retten. Der Plan hat folgende Ziele:
1. Stärkung der Wahrnehmung und des Verständnisses der Sepsis
2. Verbesserung der Präventionsmaßnahmen
3. Weiterentwicklung der Qualitätssicherung
4. Verbesserung der Diagnose und Behandlungsmöglichkeiten
Initiatoren der Forderung nach einem Nationalen Sepsisplan sind die Sepsis-Stiftung, die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie, die deutsche Sepsis-Hilfe, die Deutsche Sepsis-Gesellschaft und die Global Sepsis Alliance. Die Schirmherrschaft hat das Aktionsbündnis für Patientensicherheit übernommen. Die Forderung nach einem Nationalen Sepsisplan wird von über 30 medizinischen Fachgesellschaften, Berufsverbänden, Fachexperten und Patientenorganisationen unterstützt.
Weitere Informationen über den Nationalen Sepsisplan
Dennoch: Die Sepsis lässt sich nicht ausschließlich durch bessere Hygiene in den Griff bekommen, obwohl beispielsweise die Händehygiene ein wesentlicher Aspekt der Prophylaxe ist. Auch liegen der Erkrankung nur in 30 bis 50 Prozent der Fälle im Krankenhaus zugezogene Infektionen zugrunde. Zudem ist Sepsis nicht typischerweise auf multiresistente Erreger zurückzuführen. Allerdings sind Infektionen mit multiresistenten Erregern oft schwieriger zu behandeln. Es ist also ebenso falsch wie weit verbreitet, die Blutvergiftung hauptsächlich mit schlechter Hygiene und multiresistenten Erregern in Zusammenhang zu bringen.
Systematisches Screening beschleunigt Diagnose.
Die Symptome der Sepsis sind häufig sehr unspezifisch. Zu ihnen gehören: verschlechterter Allgemeinzustand, Todesangst, extremes Krankheitsgefühl, Desorientiertheit, Verwirrtheit, Delirium, Apathie, Benommenheit, Durstgefühl, Fieber oder Schüttelfrost, erhöhte Atemfrequenz, Atemnot, beschleunigter Herzschlag, flacher Puls, niedriger Blutdruck, konzentrierter Urin, verminderte oder keine Urinausscheidung, lokale Infektionszeichen, Schmerzen, gerötete überwärmte Schwellungen, Appetitlosigkeit, Schlappheit, kalte und marmorierte Extremitäten. Ärzte stellen in der klinischen Praxis deshalb oft primär andere Diagnosen, wie beispielsweise Austrocknung, Schlaganfall oder unklare Bewusstlosigkeit. Eine späte Diagnose der Sepsis verzögert jedoch eine auf die Ursachen gerichtete Therapie und führt zu einer Zunahme der Sterblichkeit.
Ein systematisches Screening würde helfen, Sepsispatienten frühzeitig zu identifizieren. Eine Vielzahl von Studien belegt den Nutzen von Screening-Tools. Um eine Sepsis zu erkennen, werden Patienten auf bestimmte Vitalparameter, Organversagen und das Vorhandensein einer Infektion beziehungsweise einen Infektionsverdacht gescreent. Neuere Studien zeigen, dass nicht sicher ist, welche Kombination von Parametern sich am besten eignet, um einer Sepsis auf die Spur zu kommen. So ist beispielsweise nicht zu empfehlen, allein mit dem sogenannten quickSOFA-Score – er umfasst verschiedene Parameter zur Bewertung der Organfunktion und ist weit verbreitet – zu screenen, weil die Gefahr besteht, Patienten erst in einer fortgeschritten Phase der Sepsis zu erkennen.
Nach aktueller Datenlage ist keine Screening-Methode eindeutig zu favorisieren. Somit ist es aus klinisch-praktischen Erwägungen bedeutsamer, überhaupt systematisch nach Sepsispatienten zu suchen. Ein pragmatischer Ansatz wäre, dass zwei der folgenden Kriterien erfüllt sein müssen, um dann weiter nach einer Infektion zu suchen: Bewusstseinsstörung oder neu aufgetretene Verwirrtheit, Fieber von 38 Grad Celsius oder mehr beziehungsweise eine Körpertemperatur von 36 Grad Celsius oder darunter, Atemfrequenz größer oder gleich 20 pro Minute, Leukozytose oder Leukopenie oder mindestens zehn Prozent oder mehr unreife Neutrophile Granulozyten, eine Herzfrequenz größer oder gleich 90 pro Minute, ein systolischer Blutdruck kleiner oder gleich 100 mmHg oder eine periphere Sauerstoffsättigung unter 95 Prozent. Ein kritisch kranker Patient mit unspezifischen Sepsis-Zeichen und beginnendem Organversagen sollte solange als potenzieller Sepsis-Patient gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist.
Zwischen 2010 und 2015 hat die Zahl der Sepsis-Fälle (alle Schweregrade zusammengerechnet) in deutschen Krankenhäusern um insgesamt rund 90.000 zugenommen. Wie die Klinik-Daten zeigen, stieg damit auch die Zahl der nach Sepsis Verstorbenen von rund 61.000 im Jahr 2010 auf mehr als 75.000 im Jahr 2015. Die Sterblichkeit im Durchschnitt über alle Schweregrade der Sepsis ist von 26,6 auf 23,5 Prozent gesunken.
Quelle: C. Fleischmann‑Struzek et al., 2018
Ärzte müssen sich immer die Frage stellen: Könnte es eine Sepsis sein? In der klinischen Praxis macht es Sinn, daran an prominenter Stelle zu erinnern, beispielsweise in Form eines Posters in der Notaufnahme.
Diagnostik sofort einleiten.
Nach einem Verdacht auf Blutvergiftung muss schnellstmöglich die Diagnostik eingeleitet werden. Dazu zählen Anamnese, klinische Untersuchung, Bildgebung, Laborchemie und Erregerdiagnostik. Weil die Erkrankung sehr schnell fortschreitet, müssen Diagnostik und Therapie oft parallel laufen. Beim Verdacht auf eine Sepsis sind Blutkulturen anzulegen.
In der Praxis haben sich Abnahme-Kits – vorbereitete Fläschchen – bewährt, da sie auf einfache Weise sicherstellen, dass genügend Kulturen angelegt werden. Um Kontaminationen zu vermeiden, sollte die Entnahme nach sorgfältiger Hautdesinfektion und unter sterilen Bedingungen erfolgen. Es ist nicht belegt, dass die zeitlich versetzte Abnahme von Blutkulturen bei Sepsisverdacht und/oder die Verwendung mehrerer Punktionsstellen Vorteile haben. Um Zeit zu sparen, ist es vielmehr sinnvoll, alle Sets über eine venöse Punktion abzunehmen – und zwar bevor die Behandlung der Infektion beginnt, um den Erreger auch nachweisen zu können.
Schnelltests etablieren.
Eine zügige Diagnostik ist dadurch erschwert, dass mikrobiologische Labore häufig nicht 24 Stunden an sieben Tagen der Woche geöffnet sind und aus der Klinik ausgelagert sind. Neue Techniken oder automatisierte Schnelltests weisen innerhalb von zwei bis sieben Stunden aus einer positiven Blutkultur den Erreger nach.
Die Global Sepsis Alliance (GSA) ist eine Non-Profit-Organisation mit der Absicht, die Federführung im weltweiten Kampf gegen Sepsis zu übernehmen. Bei ihrer Gründung im Jahr 2010 hatte sie sich zum Ziel gesetzt, die Aufmerksamkeit für die Sepsis zu erhöhen und die Zahl der Sepsis-Toten bis 2020 weltweit um 20 Prozent zu verringern. Der GSA sind bis heute 95 Organisationen beigetreten, darunter die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, die Deutsche Sepsis-Hilfe, die Sepsis Stiftung, die Deutsche Sepsis-Gesellschaft und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin. Die GSA arbeitet eng mit der Weltgesundheitsorganisation sowie nationalen Sepsis-Organisationen, Regierungen und Politikern zusammen. Aus dieser Zusammenarbeit ist im Mai 2017 die Sepsis-Resolution hervorgegangen.
Weitere Informationen über die Global Sepsis Alliance (GSA)
Der Nutzen derartiger Verfahren ist besonders deutlich, wenn sie rund um die Uhr verfügbar sind und mit einem rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika kombiniert werden, um die Patienten bestmöglich zu behandeln und gleichzeitig eine Resistenzbildung zu verhindern. Durch die schnelle mikrobiologische Diagnostik ist es möglich, Therapielücken oder unangemessene Behandlung schneller zu identifizieren und das Therapiespektrum früher einzuengen. Das dient dem Schutz des Mikrobioms (nützliche Bakterien auf der Haut und im Darm) der Patienten und kann dazu beitragen, Antibiotikaresistenzen zu vermeiden. Trotz dieser Vorteile ist die schnelle mikrobiologische Blutkulturdiagnostik rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche in Deutschland bisher nicht klinische Routine. Im Krankenhaus-Abrechnungssystem ist dafür bisher keine Extra-Vergütung vorgesehen.
Therapie ohne Zeitverzug beginnen.
Wegen des lebensbedrohlichen Charakters der Sepsis ist es notwendig, die Therapie ohne Zeitverzug zu beginnen. Dabei ist es empfehlenswert, sich auf einige wenige, aber wesentliche Aspekte nach dem Prinzip „weniger ist mehr“ zu konzentrieren. Die Surviving Sepsis Campaign (SSC), eine internationale Experten-Initiative, hat dafür die Sepsis-Bundles – verschiedene Bündel von Behandlungsmaßnahmen – entwickelt. In der aktuellen Version fordert die SCC folgende fünf Maßnahmen innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung: Laktat-Messung (um zu klären, ob ein Sauerstoffmangel an den Organen besteht); Abnahme von Blutkulturen vor der Gabe von Antibiotika; Gabe von Breitspektrum-Antibiotika; schnelle intravenöse Gabe von Flüssigkeit, wenn medizinisch erforderlich; Vasopressorgabe (blutdruckhebende oder -stützende Substanz), wenn der Patient trotz Flüssigkeitsgabe einen zu niedrigen Blutdruck hat.
- Sepsisdialog: Website der Qualitätsinitiative an der Universitätsmedizin Greifswald
- Sepsis-Stiftung: Website der Sepsis-Stiftung mit Sitz in Jena
- Das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Sepsis und Sepsisfolgen ist eines von acht integrierten Forschungs- und Behandlungszentren, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert werden.
- Website der Deutschen Sepsis-Hilfe e.V., eine Betroffeneninitiative
- C. Fleischmann‑Struzek, A. Mikolajetz, D. Schwarzkopf, J. Cohen, C. S. Hartog, M. Pletz, P. Gastmeier, K. Reinhart: Challenges in assessing the burden of sepsis and understanding the inequalities of sepsis outcomes between National Health Systems: secular trends in sepsis and infection incidence and mortality in Germany. Intensive Care Med (2018) 44:1826–1835
Zusätzlich zur schnellen Behandlung der Infektion muss, sofern möglich, der Entzündungsherd operativ oder durch Interventionen wie Punktion, Drainage oder Endoskopie ohne Verzögerungen saniert werden. Da eine Sepsis Organversagen nach sich ziehen kann, werden die Patienten fast immer auf einer Intensivstation behandelt. Hier können sie künstlich beatmet werden und es stehen Verfahren zur Kreislaufunterstützung und zum Nierenersatz zur Verfügung. Ergebnisse von vielen Studien legen nahe, allgemein akzeptierte Regeln der Intensivmedizin (Entwöhnung von der Beatmung, bestimmte Ernährungsformen, Schmerzbehandlung) auch bei Sepsis anzuwenden.
Qualitätsmanagement verringert Sterblichkeit.
Die deutlichsten Erfolge in der Diagnostik und Therapie der Sepsis haben Qualitätsmanagement-Programme gebracht. Ein solches Programm läuft seit elf Jahren beispielsweise an der Universitätsmedizin Greifswald. Der „Sepsisdialog“ hat dort die 90-Tage-Sterblichkeit bei schwerer Sepsis/septischem Schock von 61 Prozent im Jahr 2008 auf 45 Prozent im Jahr 2013 reduziert. Aktuelle Daten des Deutschen Qualitätsbündnisses Sepsis zeigen, dass die Krankenhaussterblichkeit bei Sepsis in Greifswald 2016/2017 bei gleicher Erkrankungsschwere der Patienten mit 32 Prozent rund zehn Prozent niedriger liegt als in den anderen Kliniken des Bündnisses. Der Vorstand der Universitätsmedizin Greifswald hat die Einführung des Sepsisdialogs mit den Direktoren der betreffenden Einrichtungen und Kliniken abgestimmt. Darauf folgte die Gründung eines „Change Management Teams“ aus Intensivmedizinern, Pflegekräften der Intensivstation, Mitarbeitern der Hygiene und der Mikrobiologie sowie mit einer vom Klinikum finanzierten Sepsisschwester.
Best Practice-Beispiel aus Greifswald.
Zu den Schwerpunkten des Sepsisdialogs gehören ein Schulungsprogramm für Pflegekräfte und Ärzte, die Bereitstellung von Kitteltaschenkarten zur Diagnosestellung und Primärtherapie, Information auf der Website www.sepsisdialog.de und die Erfassung von Qualitätsparametern wie der Zeit bis zum Beginn der Infektions-Behandlung, die Anzahl der angenommenen Blutkulturen und die Krankenhaussterblichkeit. Inhalte der evidenzbasierten Weiterbildungen sind Epidemiologie, Pathophysiologie, Definition, Erkennen, Diagnostik, Prävention und Therapie.
Die Sepsisschwester ist für die Organisation der Schulungen, Erstellung von Materialien, Erfassung der Qualitätsparameter und deren Rückkopplung verantwortlich und hat damit eine zentrale Stellung. Aktueller Schwerpunkt der Arbeit ist die Einführung einer 24 Stunden an sieben Tagen verfügbaren mikrobiologischen Blutkultur-Schnelldiagnostik, die die Patientensicherheit weiter verbessern soll. Der Sepsisdialog gilt dank der Erfolge in Deutschland als Best practice-Beispiel für Qualitätsmanagement bei Sepsis und hat auch international Anerkennung gefunden: Im Jahr 2017 gewann er den „Global Sepsis Award“ der Global Sepsis Alliance.