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Digitalisierung
Mensch sein im Smart Hospital
Wenn künstliche Intelligenz, Blockchain und Robotik auf die Medizin treffen, ergeben sich ethisch relevante Fragen. Ist es moralisch vertretbar, medizinisch digitale Innovationen allein aus der Perspektive der Gesundung und Heilung zu bewerten? Wo bleibt das Recht jedes einzelnen, selbstverantwortlich Entscheidungen über die eigene Gesundheit zu treffen? Für welchen Zweck ist welche Nutzung von welchen Patientendaten moralisch akzeptabel? Namhafte Experten haben in dem vorliegenden Band für die Bereiche Wissenschaft, Medizin und Pflege, Wirtschaft, Journalismus sowie Politik, Interessenvertretung und Non-Profit ethische Aspekte der Digitalisierung in der Medizin aufgegriffen und erörtert. Deutlich wird, dass manch euphorisch aufgenommene digitale Innovation unter ethischen Gesichtspunkten betrachtet ihre Grenzen hat. Ein moralisch verantwortungsvoller Einsatz kann jedoch nicht einfach vorausgesetzt werden, so die Autoren. Ethische Grundsätze müssen auch in einem digitalisierten Gesundheitswesen verankert, klar und transparent kommuniziert und beachtet werden. Auch ihre Einhaltung sei zu kontrollieren. Die Experten zeigen Lösungsansätze auf, die eine Nutzung digitaler Möglichkeiten unter diesen Bedingungen erleichtern.
Stefan Heinemann, David Matusiewicz (Hrsg.): Digitalisierung und Ethik in Medizin und Gesundheitswesen. 2020. 314 Seiten. 59,95 Euro. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
Künstliche Intelligenz
Nur im Kollektiv erfolgreich
Christian Maté wagt einen Blick in die Zukunft: Wie wird unsere Medizin im Jahr 2030 aussehen? Werden Diagnostik und Therapie von denkenden Maschinen mit künstlicher Intelligenz (KI) übernommen? Wird bald die Cloud-basierte Sprachassistentin Alexa die Anamnese machen und Google Assistant das Rezept ausstellen? Wenn dies die Zukunft ist – was passiert dann mit den derzeit hoch angesehenen und gut ausgebildeten Ärzten aus Fleisch und Blut? Werden sie auf das Abstellgleis verbannt? Wer meint, dass dieses Szenario dystopische Spekulation ist, wird von Maté eines Besseren belehrt. Ausgehend vom Status quo beschreibt der Mediziner, welche KI-Anwendungen als Prototypen derzeit im Testbetrieb laufen und welche bereits reif für die Praxis sind. Als Beispiel nennt er die bildgebende Diagnostik, die schon jetzt in der Lage ist, krankhafte Veränderungen früher und besser zu erkennen, als jeder gut geschulte Radiologe. Auch Therapie und Versorgung von Patienten können dank künstlicher Intelligenz schon heute wesentlich präziser und effizienter erfolgen, wie Maté zeigt. Doch im Abseits sieht der Autor die Ärzte nicht. Seine These ist hoffnungsvoll: Nur das Kollektiv aus Arzt und Maschine bietet einen wirklichen Mehrwert für den Patienten. Empathie, Verständnis und menschliche Zuwendung werden Fähigkeiten sein, die den Arztberuf in Zukunft wertvoll machen.
Christian Maté: Medizin ohne Ärzte. 2020. 176 Seiten. 22 Euro. Residenz Verlag, Wien.
Forschung
Mit Patientendaten behutsam umgehen
Der Band thematisiert die Ergebnisse zweier Gutachten der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte Forschung e. V. zur rechtssicheren Nachnutzung der Sozial- und Gesundheitsdaten. Denn zunehmend werden die in der gesetzlichen Krankenversicherung erhobenen Sozialdaten für übergeordnete Zwecke, wie der medizinischen Forschung, an externe Einrichtungen übermittelt. Als personenbezogene Daten unterliegen diese jedoch dem Datenschutz, sodass sich viele rechtliche Fragen ergeben. Der erste Teil des Buches präsentiert den jeweiligen Rechtsrahmen für drei Szenarien, die eine praktische Umsetzung einer Datennutzung für die Forschung mit und ohne Einwilligung der betroffenen Patienten in mehr oder weniger enger Kooperation mit den Krankenkassen beschreiben. Der zweite Teil des Bandes gibt Antworten auf relevante Fragen, die sich aus der Anwendung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung und der daran angepassten Bundesgesetze sowie weiterer gesetzlicher Neuerungen, zum Beispiel zur ärztlichen Schweigepflicht, ergeben. Der Band ist eine wertvolle Hilfe für die Wissenschaft, um die datengetriebene medizinische Forschung rechtssicher zu gestalten.
Christian Dierks, Alexander Roßnagel: Sekundärnutzung von Sozial- und Gesundheitsdaten. 2020. 272 Seiten. 59,95 Euro. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
Pflegehilfe
Osteuropäische Kräfte bereichern
Als Maria Scheffler zunehmend immobiler wird, ist klar, dass sie nicht mehr allein in ihrem großen Haus leben kann. Zusammen mit ihrer Tochter Sigrid Tschöpe-Scheffler entscheidet sie sich für die umstrittene Unterstützung durch 24-Stunden-Kräfte aus Osteuropa. Herzlich nimmt die weltoffene Dame die Frauen und Männer auf und nutzt das Zusammenleben für einen kulturellen Austausch. Lebendig beschreibt die Tochter, wie sich die Suche nach vertrauenswürdigen Kräften gestaltete, wie die Betreuungskräfte mit ihren kulturellen Besonderheiten und Eigenarten den Umgang mit der Mutter pflegten, wie sich das Leben aller verändert und bereichert hatte und welche herausfordernden Konflikte und Situationen zu meistern waren. Dabei reflektiert sie nicht nur, wie sich die Betreuungssituation für die Mutter und sie selbst anfühlte, sondern auch für die Pflegenden, wie der berührende Bericht einer rumänischen Frau zeigt. Das Fazit: Wer auf Fremde interessiert zugeht, menschenwürdige Voraussetzungen für die anspruchsvolle Aufgabe der Betreuung bietet und die Bedürfnisse eines alten Menschen achtet, kann mit der Pflegehilfe aus Osteuropa ein würdevolles Leben für alle schaffen.
Sigrid Tschöpe-Scheffler: Früher war ich ein flottes Huhn, heute bin ich eine lahme Ente. 2020. 200 Seiten. 18 Euro. Patmos Verlag, Ostfildern.