Porträt
Kommentar

Föderale Kleinstaaterei

In den deutschen Gesundheitsämtern läuft es trotz staatlicher Initiativen längst noch nicht rund, meint Volker Finthammer. Schuld daran sei auch ein föderaler Flickenteppich.

Seit genau einem Jahr

hält uns die Corona-Pandemie in Deutschland in Atem. Was anfangs noch als eine ferne Krankheit und im Februar als eine Folge der Aprés-Ski-Partys in Österreich oder Karnevalsfeiern im Rheinland für Unruhe sorgte, bestimmt seitdem wie kein anderes Thema unseren Alltag und wird es noch eine ganze Weile tun.
 
Corona hat uns in dieser Zeit die Augen geöffnet. Zum Beispiel darüber, wie rückständig und vernachlässigt der öffentliche Gesundheitsdienst vor sich hin dümpelte. Mit Containment Scouts und zeitweise auch studentischen Hilfskräften mussten die Gesundheitsämter pandemietauglich gemacht werden, weil sie zuvor in der gängigen Kosten-Nutzen-Rechnung fast schon abgeschrieben und auf ein Mindestmaß zurechtgestutzt worden waren.

Nicht nur am Personal fehlte es in fast allen der 375 Gesundheitsämtern, sondern auch an der zeitgemäßen Technik. Fax und Telefon statt Computer und vernetzter Software. Das gilt vielerorts bis heute, obwohl Bund und Länder inzwischen einen Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst geschlossen haben, um die erforderlichen Stellen in den kommenden fünf Jahren zu finanzieren und die digitale Auf- und Ausrüstung in die Wege zu leiten.

Corona hat uns die Augen geöffnet.

Dennoch geht das föderale Neben- statt Miteinander munter weiter! Erst Mitte Januar lag der Konferenz der Gesundheitsminister ein Zwischenbericht über das digitale Kontaktpersonenmanagement SORMAS vor, das bis Ende Februar flächendeckend eingeführt werden soll. Das vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelte Programm war ursprünglich 2014 im Zuge eines Ebola-Ausbruchs in Westafrika konzipiert und seitdem mehrfach erfolgreich eingesetzt worden. Die Gesundheitsämter können es kostenfrei nutzen.

Aber erst 132 Gesundheitsämter – also noch nicht einmal die Hälfte – sind an das System angeschlossen. Ohne Frage haben die zweite Corona-Welle und die hohen Infektionsraten vor dem Jahreswechsel Verzögerungen bewirkt, die nicht zu bestreiten sind.

Aber in Deutschland scheitert die schnelle Einführung auch am föderalen Flickenteppich, weil einzelne Bundesländer wie etwa Hamburg, Rheinland-Pfalz oder Sachsen eigene Lösungen gefunden und eingesetzt haben. Schwer zu beantworten, welche Systeme letztlich die besseren sind. Doch für die fortdauernde föderale Kleinstaaterei zahlen wir in der Pandemie einen hohen Preis: einen noch längeren Lockdown!

Volker Finthammer ist Korrespondent im Deutschlandfunk Hauptstadtstudio.
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