Wie fühlt es sich nach zwei Schlaganfällen an, nicht deutlich sprechen, gehen, lesen, schreiben, aber immer noch schnell denken zu können? Was macht dies mit einem zuvor mitten im Leben stehenden Mann? Und was macht dies mit seiner pflegenden Ehefrau, die ihn eigentlich verlassen wollte? „Erzähl es“, rät eine Freundin Gabriele von Arnim, der genau dieses Schicksal widerfuhr und die nun in einem bewegenden, sehr persönlichen Buch schonungslos den schmalen Grat zwischen Angst, Fürsorge und Bevormundung beschreibt. Ihr Werk ist weniger eine Aneinanderreihung von leidvollen und glücklichen Momenten in den „zehn elenden Jahren des Leidens und Kämpfens“, sondern vielmehr eine bildreiche, atmosphärisch dichte Beschreibung von Gefühlen und Empfindungen untermauert mit Zitaten aus der Literatur. Immer wieder begleitet von Arnim die Frage der Würde, wie es gelingen kann, das Schicksal anzunehmen und zu ertragen, ohne die eigene Haltung zu verlieren, den kranken Mann nicht zu vernachlässigen – und auch sich selbst nicht. Es ist ihr gelungen. „Wir haben das Trotzdem gelebt“, schreibt sie nach seinem Tod. Ein mitreißendes und einfühlsames Buch, in dem sich viele pflegende Angehörige wiederfinden werden.
Gabriele von Arnim: Das Leben ist ein vorübergehender Zustand. 2021. 240 Seiten. 22 Euro. Rowohlt, Hamburg.