Ganz entspannt: Die Musiker Heinz Rudolf Kunze und Judith Holofernes sprechen mit Professor Martin Bohus und Moderatorin Britta Wiegand über Stressbewältigung (v. l.).
Prävention

Kein Stress, bitte!

Die AOK Baden-Württemberg verbindet Kultur und Gesundheit in einer neuen Veranstaltungsreihe im Theaterhaus Stuttgart. Zum Start diskutierten Promis aus dem Musikbusiness über psychische Fitness. Von Robin Halm

Neue Formate

können auch daneben gehen. Nicht aber dieses. Begeistert reagierte das Publikum auf ein gemeinsames Bühnenprogramm der AOK Baden-Württemberg, dem Theaterhaus Stuttgart und den Stuttgarter Nachrichten: Die Sprechstunde im Theaterhaus – eine Talkrunde zur Gesundheitsaufklärung, moderiert von Britta Wiegand vom Hessischen Rundfunk. Das Thema der Premiere: Stress, Stressbewältigung und psychische Fitness. Judith Holofernes, ehemalige Leadsängerin der Band „Wir sind Helden“, und Heinz Rudolf Kunze, Musiker und Songwriter, diskutierten mit Professor Dr. Martin Bohus vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit Mannheim und Miterfinder des Gesundheitsprogramms „Lebe Balance“ der AOK Baden-Württemberg.

Jahre der Überforderung.

Dass Stress und seine Bewältigung individuell höchst unterschiedlich sind, ließen die Gäste auf dem Podium schnell erkennen. Judith Holofernes berichtete, dass sie zu Beginn ihrer Karriere enorm unter dem Erfolgsdruck gelitten habe, dass sie sich als Leadsängerin und Texterin mitverantwortlich für das Leben der anderen Bandmitglieder gefühlt und erst nach Jahren gelernt habe, mit den Anforderungen umzugehen. „Jahre der Überforderung“, analysierte Martin Bohus. Ob sich jemand in seiner Rolle wohlfühle, habe viel mit den selbst- und fremdbestimmten Anteilen zu tun: Je fremdbestimmter die Rolle sei, umso machtloser empfinde sich ein jeder selbst darin. Aus dem Dauerstress könne ein Burnout-Syndrom oder sogar eine Depression entstehen. Entwicklung, Zeitpunkt und persönlich empfundene Intensität seien unterschiedlich und hingen von der genetischen Disposition als auch von der Erziehung und Sozialisation ab. Heinz Rudolf Kunze gestand, dass er unter Stress Abgeschiedenheit und Ruhe suche, dass er sich mindestens eine Stunde vor einem Auftritt zurückziehe und mit niemandem reden wolle. Aber er bleibe trotz höchster Anspannung immer bei den Dingen, die er in seinem Leben als zentral empfindet – „bei Worten und Tönen“. Die 400 Zuhörer im Theaterhaus lernten die Talkgäste sehr persönlich kennen: die extrovertierte, aber nach wie vor unter dem Druck leidende Holofernes und den introvertierten Kunze, der seine Panikattacken auch mithilfe von Therapien in den Griff bekommen hat. Wie unterschiedlich die beiden als Charaktere sind, ließen die Gesangseinlagen erkennen. Holofernes verarbeitet ihr Leben autobiografisch, Kunze ist eher auf einer Metaebene unterwegs – beide nachdenklich und reflektiert.

Dauerschonhaltung aufgeben.

Martin Bohus bewertete das individuell und kollektiv empfundene Stressphänomen historisch wie kulturell und zeigte Möglichkeiten auf, wie Stress präventiv entgegengewirkt werden kann. Sehr erheiternd und in seiner Wirkung entlastend wirkte sein Fazit: Bohus sagte, dass es eine ziemlich große Gruppe von Menschen gebe, die chronisch unter ihren Limits bleibe. Es handele sich um Menschen, die prophylaktisch gestresst sind, weil sie ein Problem erwarten, bevor es überhaupt auftaucht, und bereits vorab nach Entlastung suchen. Solche Menschen, so Bohus, stressen nicht nur sich selbst, sondern alle anderen drumherum, die ihrerseits mit Unverständnis reagieren. Das wiederum wirke auf den Betroffenen jedoch wie Mobbing. Die Wartezimmer säßen voll von Menschen in dieser „Dauerschonhaltung“. Seine Empfehlung: Jeder solle sich belastende Situationen zumuten, sie durchleben, dann aber für Entlastung sorgen, wenn die stressigen Momente vorüber sind.

Robin Halm ist Chefredakteur Interne Kommunikation im KomPart-Verlag.
Bildnachweis: Thomas Hörner