Vielfalt als Chance
Bunt und gesund: Welche Strategien die Zusammenarbeit von Menschen verschiedener Altersgruppen, mit unterschiedlicher Herkunft oder Qualifikation gelingen lassen, diskutierten Experten für Betriebliches Gesundheitsmanagement in Bayern. Von Silke Heller-Jung
Kerstin Scherl ist sehr zufrieden:
„Das war eine runde Sache, wie das ganze Seminar.“ Eben noch hat die Sachbearbeiterin, die beim Personalamt der Stadt Amberg für das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) zuständig ist, mit bunten Bällen hantiert. Die Ballperformance bildete den Abschluss des 8. BGM-Netzwerktreffens öffentlicher Verwaltungen Nord- und Ostbayern, zu dem die AOK Bayern unter der Überschrift „Bunte Arbeitswelt – Risiken und Chancen“ im April nach Neumarkt eingeladen hatte. In diversen Netzwerken bietet die Gesundheitskasse Betrieben, Kommunen und öffentlichen Verwaltungen regelmäßig die Möglichkeit, sich untereinander und mit Experten aus Wissenschaft und Praxis über zentrale Aspekte des Betrieblichen Gesundheitsmanagements auszutauschen.
Dass das Thema Vielfalt schon jetzt in vielen Unternehmen angekommen ist, machte Gerhard Lindner, der Direktor der AOK-Direktion Neumarkt, bei seiner Begrüßung anhand einiger Zahlen deutlich: Die AOK Bayern beschäftigt rund 12.000 Menschen, davon 1.000 mit einer Behinderung, mit 28 verschiedenen Nationalitäten und zwölf unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten. „In Zeiten des Fachkräftemangels wird es immer wichtiger, wie Unternehmen mit den Themen Gesundheit und Diversity umgehen“, unterstrich Lindner.
Chancen und Risiken.
Was unter „Diversity“ zu verstehen ist, erläuterte Professor Dr. Bertolt Meyer, der an der Technischen Universität Chemnitz Organisations- und Wirtschaftspsychologie lehrt, den rund 70 Teilnehmern der Tagung: „Unter Diversität versteht man jegliche Form von Unterschieden, die dazu führen können, dass Menschen sich als unterschiedlich wahrnehmen.“ Eine große Vielfalt innerhalb einer Belegschaft habe zahlreiche Vorteile, so der Experte: „Unterschiedliches Wissen und unterschiedliche Perspektiven sind eine Bereicherung, etwa wenn es darum geht, kreative Lösungen zu entwickeln.“ Eine heterogene Belegschaft könne besser auf die Bedürfnisse eines heterogenen Kundenstamms eingehen und verleihe einem Unternehmen Glaubwürdigkeit, wenn dieses im Wettbewerb um Fachkräfte Bewerber aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ansprechen wolle – etwa Menschen in höherem Lebensalter, mit Behinderung oder Migrationshintergrund.
Schubladendenken birgt Risiken.
In klaren Worten benannte der Experte aber auch die Kehrseite der Medaille: „Menschen habe eine eingebaute Vorliebe für Menschen, von denen sie denken: ‚Die sind wie ich.‘ Diese Einschätzung passiert blitzschnell. Das ist evolutionär angelegt und war früher überlebenswichtig.“ Menschen, die uns ähneln, hielten wir für kompetenter, so Meyer.
Diversity Management ist kein Minderheitenprogramm, sondern unser aller Zukunft.
Das gelte auch in beruflichen Zusammenhängen. Und das hat Konsequenzen: „In den Vorständen der deutschen Dax-Unternehmen gibt es mehr Männer, die Thomas mit Vornamen heißen, als Frauen.“ Grundsätzlich neige der Mensch dazu, als fremd Empfundenes negativer zu bewerten. Dieses „Schubladendenken“ berge ein höheres Risiko für Konflikte und Missverständnisse und damit letztlich auch für psychische Belastungen am Arbeitsplatz. „Man kann sich diese Einordnungen nicht abgewöhnen“, führte der Psychologe weiter aus. „Aber man kann sie sich bewusst machen und im Unternehmen ein Klima schaffen, das signalisiert: Vielfalt ist willkommen und nützlich.“ Wie das in der Praxis aussehen kann, schilderte anschließend Dr. Ebru Tepecik, die an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen für das Diversity Management zuständig ist. Sie betonte: „Diversity Management ist kein Minderheitenprogramm, sondern unser aller Zukunft.“
Neue Impulse setzen.
Dass das Diversity Management eng mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement verzahnt werden sollte, unterstrich in der anschließenden Podiumsdiskussion Dr. Beatrix Behrens, Bereichsleiterin Personalpolitik und Personalentwicklung bei der Bundesanstalt für Arbeit. „Angesichts einer bunter, vielfältiger und älter werdenden Belegschaft arbeiten wir an einer Kultur der Akzeptanz und des wertschätzenden Umgangs – auch, weil das die psychische Gesundheit fördert.“ Um dafür stets neue Impulse zu setzen, begleiten die 22 BGM-Berater der AOK Bayern zusammen mit rund 100 Gesundheitsfachkräften jährlich etwa 1.000 Projekte in Betrieben und öffentlichen Verwaltungen. Eine von ihnen, BGM-Beraterin Bianka Martolock, saß in Neumarkt mit auf dem Podium. Ihr Rat: „Man muss sich immer fragen: Wie können wir mit Andersartigkeit umgehen? Und wie können wir uns gegenseitig unterstützen?“