Magnet für die Gesundheitsberufe
Die Bundesrepublik und das Vereinigte Königreich sind die beliebtesten Länder für Arbeitskräfte aus den Ländern der Europäischen Union. Das gilt in besonderem Maße für Ärzte und Pflegekräfte. Von Thomas Rottschäfer
Die Arbeitskräftemobilität
innerhalb der EU nimmt deutlich zu. Rund 11,8 Millionen Beschäftigte der 28 EU-Staaten haben 2016 nicht in ihrem Heimatland gearbeitet. Das geht aus dem neuen Jahresbericht der EU-Kommission zur Arbeitsmigration hervor. An der Spitze der Herkunftsländer liegt Rumänien gefolgt von Polen, Italien und Portugal. Hauptzielländer waren 2016 Deutschland und (noch) das Vereinigte Königreich. Fast die Hälfte aller „mobilen“ EU-Bürger arbeitet in einem dieser beiden Länder. Zu weiteren beliebten Zielländern gehören Italien, Österreich, Frankreich und Spanien. Gut sieben Prozent der EU-Bürger, die in einem anderen Mitgliedsland arbeiten, rechnet die Brüsseler Kommission dem Gesundheitssektor zu. 352.000 Beschäftigte werden als „qualifizierte Gesundheitsfachkräfte“ und 257.000 als „weniger qualifizierte Pflegekräfte“ bezeichnet.
Mobilität von Fachkräften erleichtert.
Im Bereich der fachlich qualifizierten Gesundheitskräfte handelt es sich zu 20 Prozent um Ärztinnen und Ärzte und zu 40 Prozent um Krankenpflegepersonal. Hier liegt Deutschland mit 31 Prozent auf Platz eins der Wunscharbeitsländer. Weniger attraktiv scheint dagegen die Altenpflege in der Bundesrepublik. Von den rund 257.000 „mobilen Pflegekräften“ arbeiteten 44 Prozent in Italien, 23 Prozent in Großbritannien und sieben Prozent in Deutschland. Frauen stellen die große Mehrheit der im EU-Ausland tätigen Pflege- und Gesundheitsfachkräfte. Lediglich bei den Medizinern gibt es etwa ebenso viele Ärzte wie Ärztinnen.
Die 2005 in Kraft getretene EU-Berufsqualifikationsrichtlinie erleichtert die Mobilität von Fachkräften. Sie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die jeweiligen Berufsabschlüsse grundsätzlich als gleichwertig anerkennen und den Beschäftigten freien Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt gewähren. Die Anerkennungsquote lag laut EU-Kommission in den wichtigsten Herkunftsländern zuletzt zwischen 70 und 100 Prozent.
2017 ist die Zahl der EU-Bürger, die in einem anderen Unionsland arbeiten, nach Auskunft der EU-Kommission noch einmal deutlich angestiegen. Um die Rechte dieser Beschäftigten sicherzustellen, hat die Kommission vorgeschlagen, eine Europäische Arbeitsbehörde zu schaffen. Zudem soll der Zugang zum Sozialschutz verbessert werden. Die Empfehlungen der Kommission stehen im Zusammenhang mit dem Aufbau einer Europäischen Säule sozialer Rechte.
Osten leidet unter Abwanderung.
Bei Gesundheits- und Pflegekräften gibt es innerhalb der Union ein deutliches Ost-West-Wanderungsgefälle. „Das macht den Herkunftsländern zu schaffen“, sagt der Vertreter der AOK in Brüssel, Evert-Jan van Lente. In den Gesundheitsberufen sind vor allem EU-Bürger aus Rumänien, Polen und Italien außerhalb ihres Heimatlandes beschäftigt. Von den Pflegekräften kommt fast die Hälfte aus Rumänien (120.000), gefolgt von Polen (39.000) und Bulgarien (13.000). „Die Fachkräfte fehlen in ihren Ländern. Vor allem in Rumänien und in Bulgarien verschlechtert sich durch die Abwanderung die Gesundheitsversorgung. Das hat bereits zu Protesten der Bevölkerung und Ärztestreiks geführt“, so van Lente.
Denn dort kehren vor allem Mediziner ihrem Land den Rücken. Nach der jüngsten Statistik der Bundesärztekammer waren zum Stichtag 31. Dezember 2017 hierzulande 4.505 Ärztinnen und Ärzte aus Rumänien, 2.642 aus Polen und 1.715 aus Bulgarien tätig. Aus dem Krisenstaat Griechenland stammen aktuell 3.147 Ärzte. Insgesamt waren zum Jahresende 24.765 Ärztinnen und Ärzte aus EU-Ländern bei den 17 Ärztekammern gemeldet. 1.287 Mediziner aus Unionsländern sind 2017 neu hinzugekommen.
Westen braucht Zuwanderung.
Der EU-Report thematisiert auch die Abhängigkeit der 28 Einzelstaaten von Arbeitskräften aus dem Ausland. Bei den Gesundheitsberufen liegt Luxemburg mit einem Anteil von 36 Prozent deutlich an der Spitze (Pflege: 18 Prozent). Deutschland liegt dagegen im EU-Schnitt von drei Prozent (Gesundheitsberufe allgemein) und sechs Prozent (Pflege). Bei den Ärzten sind es dagegen bereits 8,4 Prozent (einschließlich der Mediziner aus dem Nicht-EU-Ausland).