„Jeder Zweite nutzt Gesundheits-Apps“
Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) hat eine Checkliste für Patienten entwickelt. Sie soll ihnen helfen, aus dem unüberschaubaren Angebot von Gesundheits-Apps die passende auszuwählen. Worauf die Nutzer dabei achten sollten, erklärt Marcel Weigand.
Herr Weigand, Smartphones und Apps erobern unseren Alltag. Wie weit sind sie schon in den Gesundheitsbereich vorgedrungen?
Marcel Weigand: Befragungen zufolge hat etwa jeder Zweite Gesundheits-Apps auf seinem Smartphone und nutzt sie auch.
Und wie ist es um die Qualität dieser Apps bestellt?
Weigand: Das kann eigentlich niemand einschätzen. Es fängt schon damit an, dass es keine konkreten Angaben zur Zahl der Gesundheits-Apps gibt. Manche Studien sprechen von rund 100.000, andere von mehr als 1,2 Millionen – wobei viele auch sogenannte Fitness- und Lifestyle-Apps sind. Der Markt ist sehr unübersichtlich. Auch hinsichtlich der Qualität gibt es so gut wie keine Orientierung. Man findet nur sehr wenige zertifizierte Apps. Im Projekt „DiaDigital“ zum Beispiel wurden hochwertige Apps für Diabetiker mit einem Qualitätssiegel versehen. Auch der TÜV zertifiziert Apps, prüft aber nur bestimmte strukturelle Merkmale – etwa, ob eine Datenschutzerklärung vorhanden ist. Das sagt aber noch nicht viel über die Qualität der jeweiligen Anwendung aus.
Marcel Weigand ist Senior Projektmanager bei der Weissen Liste und gehört dem Vorstand des Aktionsbündnisses Patientensicherheit an. Er war federführend an der Entwicklung der Checkliste beteiligt.
Wie hilft die Checkliste des APS dabei, die Spreu vom Weizen zu trennen?
Weigand: Weil es im Moment noch keine Zertifizierung in größerem Umfang gibt, kann man auf den ersten Blick kaum einschätzen, ob eine App gut und verlässlich ist. Anhand der Checkliste können Nutzer nun für fünf Bereiche überprüfen, ob eine App bestimmte Qualitätsstandards erfüllt: Ist zum Beispiel transparent, wo die Daten gespeichert und ob sie an Dritte weitergegeben werden? Gibt es klare Aussagen dazu, was die App leisten kann und was nicht?
Wie finden Patienten die passende App und wie nutzen sie sie richtig?
Weigand: Zu allererst sollte man sich die Frage stellen: Was möchte ich mit dieser App erreichen? Wozu soll sie dienen? Das ist ganz wichtig. Es gibt zum Beispiel Apps, die regelmäßig an die Medikamenteneinnahme oder an die Messung von Blutzuckerwerten oder Blutdruck erinnern. Die können sehr nützlich sein und den Behandlungsverlauf günstig beeinflussen. Wenn ich als Patient aber zum Beispiel eine Symptom-Checker-App nutze, muss mir klar sein, dass die mir keine abschließende Diagnose, sondern nur erste Hinweise liefern kann. Und es macht auch einen großen Unterschied, ob mir eine App sagt, dass ich Krebs habe, oder ob ich das von einem Arzt in einem persönlichen Gespräch erfahre.
Im Moment werden die Patienten mit solchen digitalen Angeboten noch ziemlich alleingelassen.
Wie sollten Ärztinnen und Ärzte auf das App-Angebot reagieren?
Weigand: Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist die nach der Haftung. Ein Arzt, der eine Gesundheits-App empfiehlt, sollte sich vorher vergewissern, dass die App für den entsprechenden Einsatzbereich geeignet und auf den ersten Blick auch sicher ist. Das ist seine Sorgfaltspflicht. Grundsätzlich sollten Ärzte ihren Patienten signalisieren, dass es in Ordnung ist, wenn sie digitale Angebote nutzen. Es sollte nicht die Situation entstehen, dass Patienten dies vor ihrem Arzt verheimlichen. Ich fände es gut, wenn sich Krankenkassen, Ärzteschaft und Fachgesellschaften des Themas annehmen würden und für größere Behandlungsgruppen überlegten, was eine gute App beinhalten sollte – wie es mit DiaDigital für den Bereich Diabetes geschehen ist. Im Moment werden die Patienten mit solchen digitalen Angeboten noch ziemlich alleingelassen. Es ist bedenklich, wenn da eine Parallelwelt entsteht – das ist weder für die Ärzte noch für die Patienten gut.