Debatte

Ärzte sind im Betrieb unverzichtbar

Die Arbeitsmedizin erfüllt wichtige Aufgaben an der Schnittstelle von Prävention, ambulanter Versorgung und Rehabilitation, sagen Prof. Dr. med. Hans Drexler und Dr. Thomas Nesseler. Sie erteilen deshalb Bestrebungen, Betriebsärzte durch andere Berufsgruppen zu ersetzen, eine Absage.

 

Für den betrieblichen Gesundheitsschutz

und die Gesunderhaltung der Beschäftigten ist eine medizinische Expertise mit entsprechenden Kenntnissen der beruflichen Belastungen und Beanspruchungen unverzichtbar. In Zeiten des demografischen Wandels und eines späteren Renteneintrittsalters mit einem Altersanstieg der Beschäftigten und damit einer möglichen Zunahme chronischer Erkrankungen wird die Bedeutung der Arbeitsmedizin weiter zunehmen.

Mit der Verabschiedung des vom Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) eingebrachten Leitantrags „Ärztliche Kompetenzen im Arbeitsschutz zwingend erhalten“ sowie des Delegierten-Antrags „Keine Substitution ärztlicher Tätigkeiten im Betrieb durch Nichtärzte“ hat der 121. Deutsche Ärztetag 2018 ein Signal gesetzt, um die ärztlichen Kompetenzen und Tätigkeiten in der betrieblichen Prävention und Gesundheitsförderung zu stärken. Die Beschlüsse sollten allen verantwortlichen und zuständigen Akteuren Anlass zum Diskurs darüber sein, wie Prävention und Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz mit den dynamischen Veränderungen in der Arbeitswelt Schritt halten können.

Betriebsärzte erkennen Risiken.

Im Leitantrag des BÄK-Vorstands heißt es: „Neue Arbeitsformen und der technologische Fortschritt erfordern es, dass gerade Arbeitsmediziner und Betriebsärzte im Wege des Arbeitsschutzes bereits frühzeitig gesundheitliche Risiken für die Beschäftigten erkennen. Sie haben deshalb ein Alleinstellungsmerkmal für Gesundheitsfragen im Betrieb und nehmen eine wichtige Funktion sowohl im Feld der betrieblichen Prävention als auch an der Schnittstelle zur kurativen und rehabilitativen Medizin ein.“ Darüber hinaus begrüßt die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM) den ebenfalls beschlossenen Antrag von insgesamt acht Delegierten, die keine Substitution ärztlicher Tätigkeiten im Betrieb durch Nichtärzte gefordert hatten.

Anlass für diese beiden Beschlüsse ist ein Diskussionsprozess, den die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) zur Novellierung der „Unfallverhütungsvorschrift Betriebsärzte und Fachkräfte“ angestoßen hat. Die DGUV diskutiert, wie man die arbeitsmedizinische und sicherheitstechnische Grundbetreuung auch durch andere Berufsgruppen, wie etwa Ergonomen, Arbeitspsychologen oder Gesundheitswissenschaftler, ermöglichen kann. In die Praxis umgesetzt würde dies auf eine Substitution einer den gesamten Menschen umfassenden fachärztlichen arbeitsmedizinischen Betreuung hinauslaufen. Darüber hinaus denkt man bei der DGUV über eine Halbierung der betriebsärztlichen Mindesteinsatzzeiten nach. Dies hätte zur Folge, dass viele Beschäftigte keine qualitativ hochwertige arbeitsmedizinische Betreuung mehr erhalten würden. Und dies erst recht nicht, wenn auch noch psychische Belastungen am Arbeitsplatz beurteilt werden sollen.

Betriebsärzte können die Beschäftigten für die Prävention sensibilisieren.

Arbeitswelt ist größtes Präventionssetting.

Die Lebens- und Arbeitswelt in den Betrieben und den Unternehmen sowie bei den öffentlichen Arbeitgebern stellt in unserer Gesellschaft das größte Setting sowohl für die Verhaltens- als auch für die Verhältnisprävention dar. Betriebsärzte können im Rahmen der gesetzlich verankerten arbeitsmedizinischen Vorsorge sowie des betrieblichen Gesundheitsmanagements über 44 Millionen Menschen ansprechen und sie für Angebote der Prävention sensibilisieren oder gar gewinnen. Damit nehmen die rund 12.500 Betriebsärzte eine Rolle als Lotsen und neu­trale Berater zwischen präventiver Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung, arbeitsmedizinischer Vorsorge und berufsfördernder Rehabilitation ein.

Im Mittelpunkt steht dabei der Erhalt und die Förderung der physischen und psychischen Gesundheit und Leistungsfähigkeit der arbeitenden Menschen, die Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsbedingungen, die Vorbeugung, Erkennung, Behandlung und Begutachtung arbeits- und umweltbedingter Risikofaktoren, Erkrankungen und Berufskrankheiten, die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefährdungen, einschließlich individueller und betrieblicher Gesundheitsberatung, die Vermeidung von Erschwernissen und Unfallgefahren sowie die Rehabilitation. Die Arbeitsmedizin in Wissenschaft und Praxis ist darüber hinaus eine wichtige Schnittstelle zwischen präventiver Gesundheitsförderung, ambulanter Versorgung und berufsfördernder Rehabilitation. Der Deutsche Ärztetag hat mit seinen Entscheidungen darauf nochmals nachdrücklich aufmerksam gemacht. Wichtige Beschlüsse in Zeiten des Wandels!

Hans Drexler ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin (DGAUM).
Thomas Nesseler ist Hauptgeschäftsführer und Pressesprecher der DGAUM.
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