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Probieren geht über Studieren

Als erstes Bundesland führt Nordrhein-Westfalen im ­Medizinstudium die Landarztquote ein – und erntet Kritik von vielen Seiten. Zu Unrecht, meint Ilse Schlingensiepen.

 

Geht es um reine Absichtserklärungen

zur Stärkung der hausärztlichen Versorgung, dann ist die Zustimmung meist groß. Kaum einer widerspricht, da die Defizite gerade in manchen ländlichen Regionen augenscheinlich sind. Anders sieht es aus, wenn es um die Umsetzung konkreter Maßnahmen geht. Dann melden sich mit schöner Regelmäßigkeit Skeptiker und Zweifler zu Wort. Aktuelles Beispiel ist die geplante Einführung einer Landarztquote für das Medizinstudium in Nordrhein-Westfalen.

Kaum hatte Landes­gesundheitsminister Karl-Josef Laumann seine Gesetzesinitiative vorgestellt, hagelte es Kritik von vielen Seiten. Ab dem Wintersemester 2019/2020 sollen in Nordrhein-Westfalen 7,6 Prozent aller Studienplätze an Interessenten vergeben werden, die sich verpflichten, nach der abgeschlossenen Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin zehn Jahre in einer unterversorgten Region als Hausarzt zu arbeiten. Bei der Auswahl der Bewerber gelten dabei andere Kriterien als sonst. Die Argumente, die gegen die Initiative geäußert werden, sind vielfältig.

Mehr Studienplätze bringen Hausärzte kaum aufs Land.

Der Sonderweg für künftige Hausärzte, heißt es etwa, gehe zulasten anderer Fachgruppen, in denen es schließlich auch Probleme gebe. Statt der Landarztquote brauche es mehr Studienplätze. Dabei schließen sich beide Maßnahmen nicht aus. Es kann eine Landarztquote geben und eine Aufstockung der Kapazitäten. Genau das ist für NRW geplant – mit dem Aufbau einer zusätzlichen Medizinfakultät in Bielefeld. Mehr Studienplätze werden aber kaum hausärztlichen Nachwuchs aufs Land bringen. Denn manche junge Menschen, die gern als Hausarzt in ihrer Region tätig werden wollen, schaffen das nicht, weil sie die formalen Kriterien nicht erfüllen.

Viele Kritiker monieren, dass jemand, der sich für das Medizinstudium entscheidet, überhaupt nicht absehen kann, ob er sich rund zwölf Jahre später als fertiger Arzt tatsächlich auf dem Land niederlassen will. Das stimmt. Aber niemand wird gezwungen, diesen Weg einzuschlagen. Wer das Risiko der frühen Festlegung nicht eingehen will, kann sich an das normale Prozedere halten – und muss die Nachteile in Kauf nehmen. Laumann geht mit diesem Weg ein Wagnis ein. Ob die Landarztquote tatsächlich die erwünschte Wirkung entfaltet, ist nicht abzusehen. Aber wenn man es nicht ausprobiert, erfährt man es nie.

Ilse Schlingensiepen ist gesundheitspolitische Journalistin.
Bildnachweis: privat