Portrait
Kommentar

Geburtsfehler einer Studie

Die Bundesregierung will die Folgen von Abtreibungen für Frauen untersuchen lassen. Dass es Kritik an der Untersuchung hagelt, kann Eva Quadbeck aus mehreren Gründen nachvollziehen.

Wenn die Gesundheitsforschung

alle Felder gründlich ausleuchtet, dient das dem Fortschritt. Eine neue, umfassende Studie zu möglichen psychischen Folgen von Schwangerschaftsabbrüchen ist also grundsätzlich zu begrüßen. Im Idealfall ergeben sich neue Erkenntnisse, ob überhaupt und wenn ja in welchen Lebensphasen und unter welchen Lebensbedingungen Frauen nach einer Abtreibung für seelische Folgen anfällig sind. Wie sehr das Thema Abtreibung die Gesellschaft nach wie vor beschäftigt, hat die Debatte um die Reform des Paragrafen 219a – dem Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche – gezeigt.

Dass es zu der von Gesundheitsminister Jens Spahn geplanten neuen Studie dennoch Kritik hagelt, ist aus zwei Gründen nachvollziehbar. Erstens: Bei fünf Millionen Euro Etat muss man den Eindruck gewinnen, dass da einer die ganz große Keule schwingen möchte.

Offenbar möchte da einer die ganz große Keule schwingen.

Wäre es nicht auch eine Nummer kleiner gegangen? Schließlich fangen die Wissenschaftler ja nicht bei null an. Es gibt bereits viel Forschung auf diesem Gebiet. Zweitens: Es ist sehr misslich, dass die Studie als Kompensationsgeschäft im Ringen um den neuen Paragrafen 219a herausgehandelt wurde. Auch bei allen Beteuerungen des Ministeriums, wonach es um ein ergebnisoffenes Projekt geht, wirkt der Anlass der Studie eben so, als sollten die Ergebnisse den Frauen Angst einjagen und am Ende Abtreibungen reduzieren.

Dieser politische Handel, eine Studie gegen Zustimmung zum Kompromiss zum Paragrafen 219a einzutauschen, ist ein Geburtsfehler. Er entwertet das Projekt und macht es obendrein für neue ideologische Kämpfe um die Deutungshoheit der Ergebnisse anfällig. Wer eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gibt, benötigt eine klare inhaltliche Fragestellung und sollte sich nicht in den Verdacht begeben, dass das Projekt nur ein Beitrag in einer ideologischen Auseinandersetzung ist. Die Umstände dieser Erhebung sind also denkbar schlecht.

Nun ist die Studie auf vier Jahre angelegt, reicht also über die Wahlperiode hinaus. Ob Spahn sie als Gesundheitsminister noch vorstellen wird oder am Ende auf seinem Stuhl längst ein Minister oder eine Ministerin von SPD, Grünen oder FDP sitzt, weiß heute niemand. So unabhängig die Studie im besten Fall erstellt worden ist, die Botschaft zu ihren Ergebnissen wird der nächste Gesundheitsminister setzen. Dann hoffentlich mit Augenmaß.

Eva Quadbeck ist Mitglied der Chefredaktion der Rheinischen Medien GmbH.
Bildnachweis: Jana Bauch