Neue Käufer im Gesundheitsmarkt
Private Investoren haben das Gesundheitswesen entdeckt. Sie stecken ihr Geld in Pflegeheime, Kliniken oder Medizinische Versorgungszentren. Was das für Patienten, Kassen und Leistungserbringer bedeutet, analysiert Dr. Florian Staeck.
Medizinische Versorgungszentren sind das Experimentierfeld für bislang weithin unbekannte Akteure. Wie man diese bezeichnet, hängt von der Beurteilung dieser Entwicklung ab: Kapitalgeber, Private Equity, Finanzinvestoren oder Spekulanten. „Das Gesundheitswesen ist eine attraktive Anlagemöglichkeit für Eigenkapitalgeber, da es als gründlich reguliert und als eher wenig konjunkturanfällig gilt“, erläutert Dr. Franz-Robert Klingan, Partner der Unternehmensberatung Bain & Company, die weltweit Finanzinvestoren berät.
Ganz anders klingt das bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV): „Momentan strömen Spekulanten aus dem In- und Ausland in den heimischen Dentalmarkt, getrieben von der Aussicht auf hohe und risikoarme Renditen“, sagt KZBV-Sprecher Kai Fortelka. Bei der Gewerkschaft Verdi beschreibt Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler die Entwicklung so: Die weltweite Niedrigzins-Politik führe dazu, dass Private-Equity-Fonds mehr Geld eingesammelt haben, als angelegt werden kann. Daher rückten nach Akut- und Rehakliniken „auch immer mehr Pflegeheime und zunehmend auch kleinere Unternehmen in den Fokus, beispielsweise Pflegedienste, Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren“, sagt Bühler.
MVZ gelten als Erfolgsmodell.
Politiker auf Bundes- und Landesebene ringen um einen Standpunkt. Denn Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gelten seit ihrer Etablierung durch den Gesetzgeber im Jahr 2004 als Erfolgsmodell. Laut Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) gab es Ende 2017 bundesweit 2.821 MVZ, 18.005 Ärztinnen und Ärzte waren dort beschäftigt, überwiegend als Angestellte (16.419). In der hausärztlichen Versorgung ist die Bedeutung der Versorgungszentren mit fünf Prozent im Jahr 2017 noch vergleichsweise gering gewesen (2.756 von 54.741 Hausärzten).
Die Bundesregierung hält große Stücke auf MVZ. Sie hätten sich als „fester Bestandteil der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung integriert“. Dabei werde insbesondere die Möglichkeit der fachübergreifenden Kooperation von Ärzten und Patienten „vielfach sehr positiv bewertet“, schreibt die Regierung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag. MVZ böten gerade dem ärztlichen Nachwuchs die Möglichkeit, „familienfreundlich und ohne besonderes finanzielles Risiko in die ambulante medizinische Versorgung einzusteigen“, so die Regierung. Zudem zeichneten sich diese Einrichtungen durch eine „höhere Kooperationsintensität mit anderen Leistungserbringern“ aus.
Dr. Sabine Richard, die die Geschäftführungseinheit Versorgung beim AOK-Bundesverband leitet, resümiert, MVZ hätten mittlerweile „einen relevanten Anteil an der Sicherstellung der Versorgung“. Auch künftig könnten MVZ einen wichtigen Beitrag leisten, vor allem beim Aufbau der sektorenübergreifenden Versorgung, so Richard (siehe Interview).
Regierung zügelt Kapitalinteressen.
In mehreren Anläufen hat der Gesetzgeber den Kreis derer, die ein MVZ gründen dürfen, beschränkt. Im GKV-Versorgungsstrukturgesetz von 2012 hat die damalige von Union und FDP geführte Bundesregierung Aktiengesellschaften verboten, solche Einrichtungen zu gründen. Damit werde die „Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen von reinen Kapitalinteressen gewährleistet“, hieß es im Gesetz. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass MVZ besonders in kapitalintensiven Bereichen wie der Labormedizin oder der operierenden Augenheilkunde von Investoren gegründet werden, „die keinen fachlichen Bezug zur medizinischen Versorgung haben, sondern allein Kapitalinteressen verfolgen“. Hier bestehe die „Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen beeinflusst werden“, so die Regierung im Jahr 2011.
Doch für Krankenhäuser und nichtärztliche Dialyseeinrichtungen blieb der Zugang zur ambulanten Versorgung durch die Gründung eines MVZ bestehen. Und wer die Gesellschafter einer Krankenhausgesellschaft sind, die ein MVZ etablieren wollen, ist für die Zulassungsausschüsse nicht von Bedeutung und wird von ihnen auch nicht geprüft.
Begehrte Anlageobjekte: Im Jahr 2017 übernahmen Private-Equity-Gesellschaften (PEG) 53 Unternehmen der Patientenversorgung wie Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren oder Dialyse-Einrichtungen mit insgesamt rund 82.000 Beschäftigten. In den Jahren zuvor waren es nur jeweils rund zehn Unternehmen. Viele PEG sammeln das Geld externer Investoren in einem Fonds und erwerben damit meist umfassende Eigentumsrechte an einem Unternehmen.
Quelle: Scheuplein et al.; Projekt „Private Equity Monitor“ am Institut Arbeit und Technik, Gelsenkirchen
Aus Sicht von Investoren und ihren Beratern hat Deutschland mit Blick auf die Aktivitäten von Fremdkapitalgebern noch viel Entwicklungspotenzial. Zwar habe es bei Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen schon bisher „umfangreiche Investments von Kapitalgebern gegeben“, berichtet Bain-Berater Klingan. „Aber gerade im ambulanten Sektor sind die Leistungserbringer sehr kleinteilig aufgestellt.“ Entsprechend sei das Engagement der Investoren hierzulande im Vergleich zu europäischen Nachbarn „viel geringer“. Gerade in den Bereichen wie etwa Radiologie oder im Dentallabor, wo die Einkaufskosten vergleichsweise hoch sind, sieht Klingan in Deutschland „Effizienzreserven, die man heben kann“.
Zahnmedizinische Strukturen im Umbruch.
Unterdessen hat der Gesetzgeber 2015 im GKV-Versorgungsstärkungs-Gesetz das bislang obligatorische Merkmal „fachübergreifend“ für ein MVZ gestrichen und der Entwicklung eine seinerzeit ungeahnte Dynamik verliehen. Denn seitdem ist die Gründung fachgruppengleicher MVZ möglich, die beispielsweise allein aus Hausärzten bestehen. Noch sind Versorgungszentren überwiegend arztgruppenübergreifend aufgestellt – das gilt für 2.272 der rund 2.800 Einrichtungen (Ende 2017). Doch vor allem die Strukturen in der zahnmedizinischen Versorgung befinden sich seit 2015 in einem Umbruch. Die Interessenvertretung der Vertragszahnärzte KZBV wertet MVZ als „Einfallstor“ von Investoren in die ambulante Versorgung. Ende Juni 2018 hat es nach Angaben der KZBV bundesweit 50 zahnärztliche MVZ gegeben, die von Krankenhäusern gegründet worden sind. Davon allein 19 im KZV-Bezirk Bayern und zwölf in Nordrhein.
Wer die Eigentümer dieser MVZ sind, lässt sich im Einzelfall nur schwer nachvollziehen. Denn die Statistiken von KBV und KZBV differenzieren nur nach den Trägern einer Einrichtung (Vertragsarzt, Krankenhaus oder sonstige Träger wie beispielsweise eine Kommune), nicht aber nach den dahinter stehenden Eigentümern. Nach einer Mitteilung der KZBV gab es Ende des vergangenen Jahres rund 70 zahnärztliche MVZ, die mittelbar oder unmittelbar einem Finanzinvestor zurechenbar sind. Zum Vergleich: 2015 waren es erst acht.
Gewerkschaft fordert Register.
Die Gewerkschaft Verdi hält die Entwicklung von Inhabern und Kettenbildungen im Markt der Zahnarzt-MVZ für „äußerst unübersichtlich“. Nur durch aufwendige Nachforschungen in Handelsregistern könnten die Beteiligungsstrukturen ansatzweise nachvollzogen werden, beklagt Bundesvorstandsmitglied Bühler. Ein aktueller und leicht verfügbarer Marktüberblick wäre „unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssteuerung und des Sicherstellungsauftrags dringend erforderlich“, so Bühler. Sie mahnt daher die gesetzliche Einführung eines „MVZ-Registers“ an.
Mit einem Krankenhaus kaufen Investoren die Gründungsbefugnis für MVZ.
Dieser Forderung ist die Große Koalition bisher nicht nachgekommen. Im jüngst verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetz schränkt sie jedoch den Einfluss von reinen Kapitalinvestoren auf MVZ ein. So dürfen Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen künftig nur fachbezogene MVZ gründen. Auch die Gründungsbefugnis für zahnmedizinische Versorgungszentren durch Krankenhäuser wird begrenzt (siehe Kasten „Koalition schränkt Zahnarztketten ein“).
Die Strategie heißt „buy and build“.
Zahnarzt-MVZ würden laut KZBV durch den Erwerb eines – häufig mit roten Zahlen arbeitenden – Krankenhauses auf den deutschen Dentalmarkt vordringen. Glaubt man den Aussagen von Kapitalgebern und Beratern, waren die Aussichten dafür bislang mehr als gut.
In einem Positionspapier vom Juni 2017 bezeichnet das Unternehmen McKinsey die Möglichkeit, ins europäische Gesundheitswesen zu investieren, als „golden opportunity“. Die Beratungsfirma ermuntert ihre Kunden, auch mittelständische Unternehmen in der Provinz in den Blick zu nehmen. Der Strategieansatz heißt „buy and build“: Zunächst wird ein Krankenhaus gekauft und mit ihm die Gründungsbefugnis für MVZ. An diese Klinik wird dann eine wachsende Zahl von MVZ angedockt.
Mindestens zehn Groß- und Finanzinvestoren sind nach Zählung der KZBV derzeit im deutschen Dentalmarkt, der einen Umsatz von 26 Milliarden Euro jährlich aufweisen soll, unterwegs. So attestiert beispielsweise Quadriga Capital seiner im Jahr 2015 gegründeten zahnmedizinischen Klinikkette eine „strahlend schöne Erfolgsgeschichte“. Die Dentalgruppe gehöre mit aktuell neun Standorten in Süddeutschland nach eigenen Angaben „zu den führenden zahnmedizinischen Klinikgruppen“. Man verfolge eine „dezidierte Rollout-Strategie“, erläutert der Investor. Diese fuße auf drei Elementen: „Eröffnung von neuen Kliniken, organisches Wachstum und zunehmende Steigerung der Marken- und Marketingpräsenz“.
Der Nordic Capital Funds beschreibt seine Kette „Zahnstation“ mit aktuell sechs Dependancen im Kölner Raum als „schnell wachsend“ und mit einem Fokus auf „hohe Qualität und Patientenzufriedenheit durch erweiterte Öffnungszeiten und gut erreichbare Standorte“.
Intransparenz ist ein Risiko für die Qualität.
Sind diese Entwicklungen ein Fluch oder Segen für die Qualität der Patientenversorgung und die Arbeitsplätze der Beschäftigten? AOK-Expertin Sabine Richard fordert mehr Transparenz, um mögliche Interessenkonflikte offen zu legen: „Ein Risiko besteht in intransparenten und verschachtelten Betreiberstrukturen, vor allem dann, wenn MVZ als Vertriebskanal für Krankenhausleistungen, Arzneimittel, Praxisbedarf oder Geräte eingesetzt werden“, so Richard.
Die KZBV argumentiert, in zahnärztlichen MVZ existierten „keine vergleichbaren Anleitungs- und Beaufsichtigungspflichten für angestellte Zahnärzte“ wie dies bei Einzel- und Mehrbehandlerpraxen der Fall sei. Auch das Gebot der persönlichen Leistungserbringung gebe es in MVZ nicht, sodass dort gegebenenfalls die Einrichtung hafte, nicht aber der niedergelassene Zahnarzt, der auch für die Fehler seiner Angestellten einstehen muss. Sylvia Bühler von Verdi berichtet, Investoren verordneten dem Management des übernommenen Unternehmens vielfach hohe Renditen. Das führe „zwangsläufig dazu, dass beim Personal und der Versorgung gespart wird“. Sie verweist auf die fehlende Tarifbindung bei großen privaten Pflegeheimketten oder auf Beispiele, bei der die Mitbestimmung durch Betriebsräte von der Unternehmensspitze behindert worden sei.
Auf den letzten Metern des parlamentarischen Verfahrens hat die Große Koalition im Mitte März verabschiedeten Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eine komplizierte Regelung für zahnärztliche MVZ getroffen. Danach darf ein Krankenhaus ein Zahnarzt-MVZ künftig nur dann gründen, wenn der Versorgungsanteil der jeweiligen MVZ-Kette in einem Planungsbereich zehn Prozent nicht überschreitet. Nur im Falle einer schlechten Versorgungssituation vor Ort – der bedarfsgerechte Versorgungsgrad muss um mehr als 50 Prozent unterschritten sein – darf die Kette einen Versorgungsanteil von bis zu 20 Prozent haben.
Ziel sei der „Erhalt der Anbietervielfalt in der vertragszahnärztlichen Versorgung“, heißt es in der Begründung der Regelung. Angesichts der Geschäftsaktivitäten von Investoren im deutschen Gesundheitsmarkt gebe es die „wissenschaftlich begründete Erwartung, dass sich die Zahl der MVZ im Eigentum von Beteiligungsgesellschaften bei dem gegenwärtigen Wachstumstempo von Zahnarztketten (…) massiv erhöhen wird“. Ausgehend von einer „rein renditeorientierten Motivation“ von Private-Equity-Gesellschaften befürchten die Koalitionsfraktionen eine „Über- und Fehlversorgung“ in von Investoren finanzierten MVZ. So hätten beispielsweise die Punktmengen der abgerechneten Leistungen in solchen Versorgungszentren deutlich über denen in Einzelpraxen gelegen. Datenquelle dafür ist die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung.
Florian Staeck
Ganz anders die Perspektive des Bundesverbands für nachhaltige Zahnheilkunde (BNZK), der die Interessen der zahnmedizinischen Versorgungszentren vertritt. Die Hälfte der rund 50.600 Vertragszahnärzte war im Jahr 2017 über 50 Jahre alt. Viele dieser Praxisinhaber würden keine Nachfolger finden, so der BNZK. Daher setze sich der neue Verband für „moderne Praxiskonzepte“ wie Zahnarzt-MVZ ein, welche die bisherigen Versorgungsstrukturen „ergänzen“ könnten. 70 bis 80 Prozent des zahnärztlichen Nachwuchses seien weiblich. Diese Medizinerinnen suchten „zunehmend flexible Anstellungsverhältnisse, um Familie und Beruf vereinen“ zu können.
Bedarfsplanung in Gefahr?
Der Vorsitzende des Sachverständigenrats für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, Professor Ferdinand Gerlach, macht indes auf einen weiteren Aspekt der Kettenbildung in der Hand von Investoren aufmerksam. „Es ist so, dass ein Augenarzt heute kaum noch einen einzelnen Arztsitz erwerben kann, weil die Ketten die Praxen zu Höchstkursen aufkaufen“, berichtet Gerlach im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ am 4. Juli 2018. Damit drohe die ganze Bedarfsplanung ausgehebelt zu werden mit der Folge, dass jungen Ärzten der Weg in die Niederlassung versperrt sei, warnt der Sachverständige.
Auch der AOK-Bundesverband befürchtet, dass niederlassungswillige Ärzte sich im Preiskampf nicht mehr durchsetzen können. „Wie bei den Zahnärzten sollte bei den Ärzten die Marktentwicklung in den Fachgruppen beobachtet werden, sodass Patienten weiterhin eine echte Auswahl zwischen Behandlern haben“, sagt AOK-Expertin Sabine Richard.
Ländliche Regionen profitieren kaum.
Damit rückt die Frage in den Fokus, wie künftig trotz neuer finanzstarker Player die flächendeckende Versorgung garantiert werden kann. Hier lohnt ein Blick in die Vergangenheit: Der Sachverständigenrat resümiert in seinem 2018 veröffentlichten Gutachten, die gesetzgeberische „Intention einer gut erreichbaren medizinischen Versorgung (durch MVZ) in ländlichen Regionen (sei) (….) bisher nicht eingetreten“.
Nur zwölf Prozent der neu zugelassenen MVZ waren im Jahr 2016 in ländlichen Regionen angesiedelt. Das besorgt auch Landesregierungen, Beispiel Baden-Württemberg: Mitte 2017 gab es in Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern – das sind im Südwesten insgesamt 580 – nur ein Zahnarzt-MVZ, in Gemeinden bis 10.000 Einwohner zehn solcher Einrichtungen. Nach Angaben von Kai Fortelka von der KZBV entfällt ein Großteil der Zahnarzt-MVZ auf „Städte wie Berlin, München, Köln, Leipzig, Duisburg oder Hamburg“, also dort, „wo Versorgung bereits bedarfsgerecht sichergestellt ist“.
Man registriere eine Sogwirkung von Zahnarzt-MVZ auf junge Mediziner, die zusammen mit dem demografischen Wandel „zwangsläufig Engpässe auf dem Land und in strukturschwachen Gebieten entstehen“ lassen, warnt die KZBV. Diese Entwicklung sieht das baden-württembergische Ministerium für Soziales und Integration derzeit nicht. Nach den Zahlen der Bedarfsplanung gebe es eine solche Sogwirkung weg vom Land in städtische Regionen noch nicht, heißt es in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im Landtag vom August 2018.
Regulierungsvorschläge von vielen Seiten.
Soll der Gesetzgeber eingreifen oder abwarten? Aus Sicht des Beratungsunternehmens Bain & Company ist eine „solide Regulierung für jeden Investor wichtig“, weil er nur dann stabile Rahmenbedingungen erwarten könne, sagt Franz-Robert Klingan. Politik und Ärzteschaft sollten „gemeinsam und frühzeitig“ diese Aufgabe angehen, sagt er. „Vorrangige Ziele sollten dabei sein, die Patienten zu schützen und die Unabhängigkeit der Ärzte zu erhalten“.
Freilich gehen die Positionen darüber auseinander, welche Art von Regulierung geboten ist. Wenn der Gesetzgeber den Kapitaleinsatz im Gesundheitswesen aus politischen Gründen beschränken wolle, „sollte nachgedacht werden, mit welchem Ziel hier eingegriffen werden soll. Denn das deutsche Gesundheitswesen ist bisher tendenziell von Unterfinanzierung geprägt“, gibt Klingan zu bedenken. Regulierungsvorschläge kommen zurzeit von vielen Seiten. „Wir brauchen Regelungen, mit denen die Größe von MVZ und Ketten auf ein für die Versorgung sinnvolles Maß begrenzt wird“, sagt der Präsident der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery. Die Gewerkschaft Verdi fordert, dass „vor allem die großen Krankenhäuser der Maximalversorgung und Universitätskliniken vor einem Weiterverkauf an Investoren durch Gesetz geschützt werden“.
Königsweg noch nicht in Sicht.
Der Bundesrat hatte im November 2018 als Voraussetzung für die Gründung eines Krankenhaus-MVZ gefordert, dass „das Krankenhaus einen fachlichen und räumlichen Bezug zum Versorgungsauftrag des MVZ hat“. Dadurch könne verhindert werden, dass Krankenhausträger über die Gründung eines MVZ ihr Leistungsspektrum ausweiten, heißt es in der Stellungnahme der Länderkammer zum damaligen Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes. Ein Krankenhaus, das keine zahnheilkundliche Abteilung hat, dürfte dann nicht mehr ein vertragszahnärztliches MVZ gründen.
Das stößt bei der KZBV auf Zustimmung: „Abgesehen von rein wirtschaftlichen Interessen gibt es wohl keinen plausiblen Grund, warum beispielsweise über den Erwerb eines Krankenhauses ohne zahnärztlichen Versorgungsauftrag in Schleswig-Holstein ein Zahnarzt-MVZ-Kette am Tegernsee gegründet werden sollte“, sagte der Sprecher Kai Fortelka. Gleichwohl würden die Probleme der Sicherstellung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum auch bei stärkerer Regulierung von Investoren ungelöst bleiben, erinnert Franz-Robert Klingan von Bain & Company. Bei der Versorgung in der Fläche werde man „weniger mit Verboten, sondern eher mit der Schaffung von Anreizen zum Ziel kommen“, sagt er. „Mit Regulierung lässt sich wenig erzwingen, aber viel ermöglichen.“ – Der Königsweg für den Umgang mit Finanzinvestoren im Gesundheitswesen ist noch nicht in Sicht.
Private Geldgeber sind im Gesundheitswesen durchaus erwünscht, sagt AOK-Expertin Dr. Sabine Richard. Die Krankenkassen sollten jedoch wissen, wer in welches Medizinische Versorgungszentrum investiert, um Interessenkonflikte aufzudecken. Die Fragen stellte Florian Staeck.
Frau Dr. Richard, welche Bedeutung haben Medizinische Versorgungszentren (MVZ) für die vertragsärztliche ambulante Versorgung?
Sabine Richard: Medizinische Versorgungszentren können einen relevanten Beitrag für die Verringerung von Schnittstellenproblemen leisten, wenn Ärzte in Anstellung oder mit eigener Zulassung fachübergreifend und interdisziplinär zusammenarbeiten. Sie können darüber hinaus eine wichtige Aufgabe bei der Sicherstellung für die Versorgung von Einwohnern in schwächer besiedelten Regionen übernehmen. Häufig können einzelne Praxen dort nicht wirtschaftlich geführt werden und eine tageweise Versorgung muss durch die Kassenärztlichen Vereinigungen organisiert werden. Für die junge nachfolgende Ärztegeneration, bieten sie eine Alternative zur Niederlassung und mehr Freiheiten, Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Vor diesem Hintergrund haben die Krankenkassen die Förderung von MVZ begrüßt und immer unterstützt.
Dr. Sabine Richard leitet die Geschäftsführungseinheit Versorgung im AOK-Bundesverband.
Wie bewerten Sie die Entwicklung der MVZ?
Richard: Für die Sicherstellung der Versorgung spielen MVZ weiterhin eine wichtige Rolle. Allerdings zeichnet sich in den letzten Jahren ein neuer Trend ab. Wir beobachten seit einigen Jahren MVZ, die sich vor allem auf ein spezifisches Leistungsspektrum mit hochpreisigen technischen und medizinischen Voraussetzungen konzentrieren. Auch operative Leistungen zählen dazu. Damit erwirtschaften die Träger der MVZ Einkaufs- und Absatzvorteile. Zwar ist es zu begrüßen, dass MVZ auch über Überschüsse und Kapital für Investitionen verfügen. Für Patienten und die Qualität ihrer Behandlung können wir jedoch vor dem Hintergrund dieser Entwicklung Fehlanreize und Interessenkonflikte nicht mehr ausschließen.
Welche Hinweise haben Sie, dass die Organisationsform eines MVZ Auswirkungen auf die Behandlungsqualität hat?
Richard: Aufgrund der mitunter verschachtelten Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen sind wirtschaftliche Verflechtungen und die jeweiligen ökonomischen Interessen der Beteiligten für uns mittlerweile völlig intransparent. Als Krankenkassen sind wir jedoch verpflichtet, alles zu prüfen, was eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung mit bester verfügbarer Qualität gefährden könnte. Die dafür notwendige Transparenz können wir derzeit nicht mehr herstellen. Wir können Vermutungen, die uns zugetragen werden, nur zum Teil überprüfen. Beispielsweise hören wir von strengen Zeitvorgaben bei der Versorgung, Lieferketten und Absatzvorgaben, die die Gefahr einer Über- oder Fehltherapie für Patienten bergen.
Welchen Regulierungsbedarf sehen Sie?
Richard: Wir haben ein ganzes Bündel von Forderungen, um den ursprünglichen Beitrag von MVZ zur ambulanten Versorgung wieder in den Vordergrund zu rücken. Ganz vorne steht die Schaffung von Transparenz der Eigentümer- und Beteiligungsstrukturen. Bei jeder Zulassung müssen die vollständigen Eigentümerstrukturen jedes Antragstellers offengelegt werden. Zulassungsausschüsse sollten die Möglichkeit erhalten, Gründungsvoraussetzungen und etwaige Veränderungen der Zulassungsvoraussetzungen zu prüfen. Für die Sicherung der Qualität der Versorgung wäre dieses die wichtigste Forderung.