Strafe für säumige Patienten?
Ärzte fordern verschiedene Sanktionen für Patienten, die über Servicestellen vergebene Termine in der Praxis unentschuldigt schwänzen. Halten Sie das für richtig?
Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes:
Wir haben Erkenntnisse, dass bis zu 30 Prozent dieser Termine unentschuldigt platzen. Das ist ein neuer gesellschaftlicher Trend, ein Mix aus umfassendem Anspruchsdenken, einer zunehmenden Unverbindlichkeit und fehlendem solidarischem Verantwortungsbewusstsein. Deshalb hat unsere Hauptversammlung bereits im Herbst 2018 beschlossen, dass unentschuldigt säumige Patienten, die einen Termin über eine Terminservicestelle erhalten haben, dort gesperrt werden. Wer sich derart unsolidarisch und unsozial verhält, der hat auch für eine gewisse Zeit keinen Anspruch auf die bevorzugte Terminvergabe. Diese Patienten können sich auf regulärem Wege einen Termin beim Facharzt besorgen.
Johann-Magnus v. Stackelberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes:
Nein, auf keinen Fall sind solche Sanktionen richtig. Wenn Ärzte Patienten beispielsweise mit einer Strafgebühr zur Kasse bitten, weil sie nicht zum vereinbarten Termin erschienen sind, verdienen sie ungerechtfertigter Weise zwei Mal. Denn in den mit der Ärzteschaft vereinbarten Honoraren ist ein Nichterscheinen von Patienten bereits finanziell berücksichtigt. Will man über Termintreue reden, sollten die Ärzte nicht nur auf ihre Patienten zeigen. Es passiert leider immer noch viel zu oft, dass Patienten trotz eines Termins lange in Wartezimmern sitzen.
Professor Dr. Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion:
Manche Ärzte verlangen bereits eine Ausfallgebühr, obwohl über die Häufigkeit nicht wahrgenommener Termine keine verlässlichen Zahlen vorliegen. Dafür gibt es auch keine rechtliche Grundlage. Sehr oft wird der Patient wegen einer Überweisung in die Praxis einbestellt, obwohl es gar nicht notwendig wäre. Dafür wird der Patient ja auch nicht entschädigt. Es ist Sache der Ärzte, weniger überflüssige Termine für Routinepatienten anzubieten und sich auf die Versorgung wirklich hilfsbedürftiger Patienten zu konzentrieren. Eine Ausfallgebühr als eine Art Zusatzeinkommen für Ärzte lehne ich ab.
Kai Vogel, Gesundheitsexperte im Verbraucherzentrale Bundesverband:
Wer es nicht zu einem Arzttermin schafft, sollte diesen absagen. Ärzte erwarten ansonsten, dass Patienten zum vereinbarten Termin erscheinen. Patienten erwarten aber auch, dass sie bei einem vereinbarten Termin keine langen Wartezeiten in Kauf nehmen müssen. Sollte ein Routinetermin trotzdem einmal versäumt werden, führt das in der Regel nicht zum finanziellen Schaden für die Praxis, da der nächste Patient behandelt oder Verwaltungsaufgaben erledigt werden können. Dem folgt auch die bisherige Rechtsprechung. Strafgebühren sind daher sehr kritisch zu sehen. Populismus hilft hier keinem.
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