Kommunen als starke Partner
Städte und Gemeinden bilden einen guten Rahmen für zielgenaue Präventionsangebote. Wie sich solche Projekte umsetzen lassen und wie sie gelingen, darum ging es bei einer Veranstaltung der AOK Bayern. Von Annegret Himrich
Gesundheit entsteht dort,
wo Menschen leben, lieben, arbeiten und spielen – so steht es in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) 1986 veröffentlicht hat. Die Klammer um diese nicht näher bezeichneten Orte bilden Städte und Gemeinden. Die dort angesiedelten Kitas, Schulen, Seniorenheime, Bildungs- und Freizeitstätten sind Lebenswelten – auch Settings genannt –, in denen sich Bürger aller Altersstufen und sozialen Schichten mit Präventionsangeboten erreichen lassen.
In Bayern können Gemeinden, Städte und Landkreise solche Projekte mit dem Förderprogramm „Gesunde Kommune“ verwirklichen – finanziell unterstützt von der AOK im Freistaat. Diese hat der großen Bedeutung der Kommunen bei der Prävention mit ihrer zweiten Fachtagung „Gesunde Kommune“ Rechnung getragen. Den knapp 100 Teilnehmern bot die Tagung die Möglichkeit „sich kennenzulernen, auszutauschen und zu vernetzen“, so Hubertus Räde, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Bayern.
Bürger einbeziehen.
Dr. Annette Scheder, Bereichsleiterin Gesundheitsförderung der AOK Bayern, nannte das Thema „Gesunde Kommune“ eine Herzensangelegenheit. „Wir haben bereits 53 Projekte realisiert und begleitet, 23 davon laufen noch.“ Die Anschubfinanzierung der AOK Bayern sei dabei kein kurzfristiger Impuls, sondern eine Förderung über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. Auf die Frage, was für gelingende kommunale Gesundheitsangebote nötig sei, nannte sie unter anderem die Bereitschaft, finanzielle und persönliche Ressourcen aufzubringen. Unverzichtbar sei es außerdem, die Bürger von Anfang an einzubeziehen, da sie so eine größere Affinität zu einem Projekt entwickelten. Dem konnte Professorin Gesine Bär von der Alice-Salomon-Hochschule Berlin in ihrem Vortrag zum Thema Partizipation nur zustimmen. Die frühe Beteiligung der Zielgruppen, so die Stadtsoziologin, führe zu bedürfnisgerechteren und nachhaltigeren Angeboten. „Dabei kann Partizipation das ganze Thema eines Vorhabens begründet verändern. Das erfordert Flexibilität bei Zeit und Ressourcen“, so Bär. „Ist die Harmonie im Steuerungskreis eines Projekts groß, sind noch nicht alle wichtigen Akteure dabei.“
Beim Besuch der Angebote entstehen soziale Netze, die sich positiv auf die seelische Gesundheit der Teilnehmer auswirken.
Lisa Tonk von der Plattform für Ernährung und Bewegung stellte die Multiplikatorenschulung „Kommunale Gesundheitsmoderation“ vor, die ihr Verein gemeinsam mit der AOK Bayern anbietet. Diese Weiterbildung befähigt Mitarbeiter aus Kommunalverwaltungen, ein strategisches Netzwerk der Gesundheitsförderung aufzubauen und zu managen.
Ungleichheit verringern.
Anschließend konnten die Tagungsteilnehmer Einblick in unterschiedliche Projekte der kommunalen Gesundheitsförderung gewinnen, die von der AOK Bayern gefördert werden. Die „Gesunde Südstadt“ in Nürnberg umfasst ein Einzugsgebiet von 95.000 Menschen. Der Anteil der Migranten ist hoch, ebenso die Zahl der Arbeitslosen. Ziel des Projekts ist es, die gesundheitliche Ungleichheit im sozial benachteiligten Bezirk zu verringern. Dies geschieht durch mehrere Angebote im Bereich Ernährung wie ein „Gesundes Frühstück“ für alle Bürger im Quartier und zielgruppenspezifische Angebote für geflüchtete Männer, Frauen mit Migrationshintergrund und Kinder. Beim Besuch der Gesundheitsangebote entstehen soziale Netze, was sich positiv auf die seelische Gesundheit der Angesprochenen auswirkt. Beinahe familiär wirkt dagegen das Projekt „NEUN2727 – gut leben im Waldthurner Land“ für die Zielgruppe 60plus. Gerade einmal 2.000 Seelen zählt die Gemeinde in Ostbayern (Oberpfalz), die sich auf einen Hauptort und 19 Dörfer verteilt. Die Angebote aus den Bereichen Bewegung, Ernährung und Entspannung finden regen Zulauf. Auch hier ist der soziale Kontakt, den die älteren Menschen dabei erfahren, ein wichtiger Nebeneffekt.
Gesundheitskompetenz stärken.
Professor Holger Hassel, Leiter des Instituts für angewandte Gesundheitswissenschaften an der Hochschule Coburg, stellte am Ende der Tagung das Programm GeWinn („Gesund älter werden mit Wirkung“) vor. Das Forschungsprojekt der Hochschule Coburg in Kooperation mit der Hochschule Magdeburg-Stendal will die Gesundheitskompetenz älterer Menschen im Umgang mit chronischen Erkrankungen stärken. Charakteristisch für GeWinn sind selbstständig arbeitende Seniorengruppen, von denen wiederum einige als Multiplikatoren agieren.
Lesen Sie weiter zum Thema in dieser Ausgabe:
- Ein Weg zu Job und Gesundheit: Arbeitslose sind anfälliger für Krankheiten. Wie eine zielgerichtete Prävention dabei hilft, ihre Chancen auf einen Job zu erhöhen und gleihzeitig die Sozialversicherungen entlasten kann, skizziert Gesundheitswissenschaftler Prof. Dr. Alfons Hollederer.
- Prävention für Arbeitslose: Zusammen mit Jobcentern und Kommunen weiten die Krankenkassen 2019 ein bundesweites Gesundheitsprojekt für Arbeitslose aus. Das Ziel: Eine verbessserte Lebensqualität und erhöhte Chancen auf dem Arbeitsmarkt.