Neues aus der Uni

„Selbsthilfe besser in die Versorgung integrieren“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. phil. Joachim Weis von der Medizinischen Fakultät der Universität Freiburg.

Herr Professor Weis, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Joachim Weis: Der Lehrstuhl für Selbsthilfeforschung mit Schwerpunkt Krebsselbsthilfe ist in Deutschland einzigartig. Er ist entstanden vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der organisierten Selbsthilfe für eine patientenzentrierte Behandlung und der Notwendigkeit einer stärkeren Einbeziehung der Patientenbedürfnisse in der medizinischen Versorgung. Wir beforschen als derzeit wichtigste Fragestellungen die Prozesse und Wirkfaktoren der Selbsthilfe in ihren Wechselwirkungen zwischen organisierter und individueller Selbsthilfe und versuchen herauszufinden, mit Hilfe welcher Maßnahmen die organisierte Selbsthilfe besser in das medizinische Versorgungssystem integriert werden kann.

Portrait Joachim Weis

Zur Person

Prof. Dr. phil. Joachim Weis wurde 2017 auf die neu eingerichtete, von der Deutschen Krebshilfe geförderte Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung am Tumorzentrum des Universitätsklinikum Freiburg berufen. Zuvor leitete der Psychologe die Abteilung Psychoonkologie in der Klinik für Tumorbiologie an der Universität Freiburg.

Wie fördern Sie an Ihrem Lehrstuhl die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Weis: Selbsthilfeforschung ist nur in der interdisziplinären und multiprofessionellen Zusammenarbeit möglich. Unser multiprofessionelles Team kooperiert daher mit den verschiedenen medizinischen Disziplinen vor allem im Bereich der Onkologie sowie mit den sozialwissenschaftlichen Fächern. Die enge Zusammenarbeit mit den Selbsthilfeverbänden in der Entwicklung, Durchführung und Auswertung von Forschungsprojekten ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse auch in die Praxis umgesetzt werden und zur Qualitätsverbesserung der Selbsthilfeaktivitäten beitragen können.   

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Weis: Wir brauchen in stärkerem Maße als bisher eine auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauende Gesundheitsversorgung, in der auch die Bedürfnisse von Patienten Berücksichtigung finden. Am Beispiel des Nationalen Krebsplans kann man aufzeigen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Politikern und den Akteuren des Gesundheitswesens ist, um Lösungen für bestehende Probleme entwickeln können. Von Beginn an arbeiten Wissenschaftler aus verschiedenen Fachgebieten im Nationalen Krebsplan des Bundesgesundheitsministeriums in der Arbeitsgruppe Patientenorientierung mit und versuchen, die Patientenzentrierung in der onkologischen Versorgung zu verbessern. Der Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis ist jedoch immer wieder eine große Herausforderung für alle Seiten. Kritisch wird es oft dort, wo es um die Umsetzung der Erkenntnisse im Hinblick auf konkrete Maßnahmen geht, bei denen es die Zusammenarbeit mit den Leistungsträgern unseres Gesundheitssystems braucht.

 

Diese Rubrik finden Sie auch in der Wissenschaftsbeilage der G+G. Hier geht es zur aktuellen G+G-Wissenschaft.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
Bildnachweis: Universitätsklinikum Freiburg, Foto Startseite: iStock/uschools