Beteiligung

Online-Plattform für Europas Bürger

Gesundheit, Digitalisierung und Klimaschutz gehören zu zehn Schwerpunktthemen der „Konferenz zur Zukunft Europas“. Hier können EU-Bürgerinnen und -Bürger bis zum Frühjahr 2022 ihre Ideen einbringen und diskutieren. Von Thomas Rottschäfer

Corona löste 2020 einen Rückfall

der EU-Staaten in längst überwunden geglaubte Kleinstaaterei aus. Doch die Gemeinschaft hat nicht nur aus Sicht der EU-Institutionen die Belastungsprobe bestanden. Die von der Kommission halbjährlich in Auftrag gegebenen „Euro­barometer“ belegen, dass sich auch die Bürger der 27 Mitgliedstaaten mehr Zusammenarbeit wünschen. Zuletzt befürworteten drei Viertel der Befragten, dass die EU mehr Kompetenzen erhalten sollte, um besser mit Krisen wie der Covid-19-Pandemie umgehen zu können. In Deutschland sprachen sich 65 Prozent der Befragten dafür aus.

Forum für mehr Mitsprache.

Regelmäßig wünschen sich die EU-Bürger bei den Befragungen mehr Transparenz und Mitsprache. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach deshalb bei ihrem Amtsantritt Mitte 2019 mehr Bürger­beteiligung. Dazu soll vor allem die „Konferenz zur Zukunft Europas“ beitragen, zu der das Europaparlament, der Rat der Regierungen und die Kommission erstmals zum Europatag am 9. Mai eingeladen haben. Dieses „Forum für Debatten und Diskussionen“ ermöglicht den knapp 450 Millionen EU-Bürgern bis zum Frühjahr 2022, ihre Vorstellungen für die Zukunft der EU zu formulieren und mit anderen darüber zu diskutieren. Dreh- und Angelpunkt des Projektes ist die digitale Plattform der Konferenz. Sie bietet die Gelegenheit, in allen 24 EU-Sprachen eigene Beiträge einzubringen, an zahlreichen Dialogveranstaltungen teilzunehmen oder diese selbst zu organisieren.

Sammeln der Ergebnisse.

Inzwischen fanden EU-weit rund 2.000 Veranstaltungen zu den zehn Schwerpunktthemen der Konferenz statt. So gab es in Deutschland unter anderem einen Bürgerdialog zum Umgang mit Gesundheitsdaten in der EU. In der Abschlussrunde mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Wissenschaftlern formulierten die Teilnehmer ihre Vorstellungen für den grenzüberschreitenden Austausch von Gesundheitsdaten.

Das Ergebnispapier fließt wie die Berichte aus allen Bürgerdialogen und wie die Kommentare und Ideen, die über die digitale Plattform eingehen, in die Sitzungen von vier Europäischen Bürgerforen ein. Diese debattieren bis Mitte Januar 2022 jeweils viermal über die zehn Themenkomplexe der Konferenz. Beim Auftakt im Hybrid-Format Ende September ging es um Werte und Rechte, Rechtsstaatlichkeit und Sicherheit. Themen der zweiten Runde im November/Dezember sind Klimawandel, Umwelt und Gesundheit. Alle Debatten werden live gestreamt.

Austausch in Plenarversammlung.

Die vier Bürgerforen bestehen aus jeweils 200 zufällig ausgewählten Bürgern, wobei jedes Mitgliedsland mit einer Frau und einem Mann vertreten sein muss. Zudem müssen die 16- bis 25-Jährigen mindestens ein Drittel der Teilnehmer stellen. Insgesamt 80 Teilnehmer der vier Bürgerforen und je ein weiterer Bürger aus jedem Mitgliedsland nehmen an den vier öffentlichen Plenarversammlungen der Zukunftskonferenz teil. Sie diskutieren dort gleichberechtigt mit Abgeordneten des Europaparlaments, Mitgliedern der natio­nalen Parlamente und Vertretern von Rat und Kommission. Auch für die in das rund 400 Mitglieder umfassende Plenum entsandten Bürger gilt das Jugend-Quorum. An den Plenarsitzungen sind zudem wichtige EU-Ausschüsse, Vertreter der Sozialpartner, der Zivilgesellschaft und wichtiger Interessengruppen beteiligt.

Bericht an Parlament und Kommission.

Im Frühjahr 2022 soll ein Exekutivausschuss die Ergebnisse der Plenarversammlung zusammenfassen und den Bericht Anfang Mai Parlaments­präsident David Sassoli, Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vorstellen. „Die drei Organe werden daraufhin innerhalb ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs und im Einklang mit den Verträgen zeitnah prüfen, wie die Schlussfolgerungen dieses Berichts wirksam weiterverfolgt werden können“, heißt es in der Charta der Konferenz.

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist mit dem Schwerpunkt Gesundheitspolitik.
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