Im Rahmen des Projekts INVADE werden kardiovaskuläre Risiken identifiziert und präventive Maßnahmen sowie Therapien empfohlen.
Integrierte Versorgung

Medizinpreis für Präventionsprojekt

Engmaschige Kontrolle von Risikofaktoren, Anleitung zu Lebensstiländerungen: 54 Hausarztpraxen in Bayern helfen ihren Patienten, Schlaganfall und Demenz vorzubeugen. Dafür gab es kürzlich eine Auszeichnung. Von Änne Töpfer

Schlaganfall und Demenz

gehören zu den Hauptursachen für Pflegebedürftigkeit und vorzeitigen Tod. Im Landkreis Ebersberg in Bayern läuft seit 2001 ein Präventionsprogramm, das daran ansetzt. Jährlich rund 4.000 Versicherte der AOK Bayern profitieren von INVADE: Unter ihnen sank nach Ergebnissen einer aktuellen Analyse die Zahl der Pflegefälle um rund 160 und die Zahl der Sterbefälle um rund 130 pro Jahr. „Die AOK Bayern setzt mit INVADE auf die Prävention von Schlaganfällen und Demenz, um die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten zu erhöhen“, so Dr. Irmgard Stippler, Vorstandsvorsitzende der AOK Bayern. Ausschlaggebend für die optimierte Gesundheitsversorgung sei die Zusammenarbeit von Hausärzten mit Fachärzten und die strukturierte Betreuung durch zertifizierte hausärztliche Präventionsassistenten.

Finanzierung über IV-Vertrag.

INVADE steht für „Intervention gegen vaskuläre Hirnerkrankungen und Demenz im Landkreis Ebersberg“. Da­ran beteiligen sich 54 hausärztliche Praxen. Kooperationspartner sind die niedergelassenen Fachärzte für Neurologie im Kreis Ebersberg, das Hypertonie-Kompetenzzentrum an der Kreisklinik Ebersberg, die Deutsche Stiftung Neurologie sowie das Klinikum rechts der Isar der TU München. Seit 2004 erfolgt die Finanzierung über einen Vertrag zur Integrierten Versorgung mit der AOK Bayern. Teilnehmen können Versicherte der AOK Bayern aus dem Kreis Ebersberg und angrenzenden Orten ab einem Alter von 50 Jahren.

Die hausärztliche Behandlung orientiert sich an Leitlinien.

Zum Programm gehören neben einer Einschluss-Untersuchung vierteljährliche Kontrollen sowie eine umfassende Nachuntersuchung nach jeweils zwei Jahren. „Die Patienten fühlen sich in das Programm so gut eingebunden, dass sie sich selbstständig zu den Follow-up-Untersuchungen melden“, so Othmar Gotzler, Internist und Vorstandsvorsitzender des Institutes für Versorgungsforschung-INVADE. „Das unterstützen wir durch ein freundliches Recall-System.“

Bei den Untersuchungen identifizieren die Ärzte systematisch kardiovaskuläre Risikofaktoren, wie beispielsweise erhöhten Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, Gefäßverengungen oder erhöhte Blutzucker- und Cholesterinspiegel. Auf Basis des individuellen Risikoprofils empfehlen sie Therapien. Die hausärztliche Behandlung ist standardisiert und an evidenz-basierten Leitlinien orientiert. Darüber hinaus wirken die Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit Präventionsassistentinnen auf Lebensstil­änderungen hin und motivieren die Patientinnen und Patienten, sich an die Behandlungsempfehlungen zu halten – also etwa die Medikamente wie verordnet einzunehmen.
 
In fast jeder INVADE-Praxis arbeitet mindestens eine zertifizierte Präventionsassistentin. Dabei handelt es sich um Medizinische Fachangestellte und Krankenschwestern, die an der INVADE-Akademie standardisierte Schulungen absolviert haben. „Sie sind der Schlüssel dazu, den Kontakt zu den Patienten zu halten“, so Gotzler. „Einige Patienten sind seit zwanzig Jahren dabei und wissen das Angebot sehr zu schätzen.“

Eine epidemiologische Forschungsgruppe vom Klinikum rechts der Isar hat das Projekt wissenschaftlich begleitet und seine Wirkungen in zwei umfangreichen Datenanalysen geprüft. Dabei zeigte sich schon in den ersten Nachuntersuchungen, dass sich Risikofaktoren wie beispielsweise erhöhte Cholesterin- und Blutzuckerspiegel sowie erhöhte Blutdruckwerte im Programm verbesserten. Nach Ergebnissen der aktuellen Analyse ist das Risiko für Krankenhauseinweisungen aufgrund von Gefäßerkrankungen des Gehirns um 13 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang konnte sowohl für Schlaganfälle als auch die Vorstufen, transitorische ischämische Attacken, beobachtet werden.

Wissenschaft im Hintergrund.

Ausgangspunkt für INVADE war der „Wunsch, evidenzbasierte Medizin in der Arztpraxis zu platzieren“, erzählt Mitgründer Gotzler. „Im Hintergrund läuft permanent eine wissenschaftliche Begleitung.“ Die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Wissenschaftsteam hält der Internist für „extrem wichtig“. Die zwanzigjährige Erfolgsgeschichte von INVADE ist kürzlich vom Hufeland-Preis für Präventivmedizin gekrönt worden, den die in der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift“ publizierte Arbeit „Prävention von Schlaganfall und Demenz in der Hausarztpraxis: Evaluation des Projektes INVADE“ erhalten hat.

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
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