Bewertungsportal

Ärzte müssen Profileintrag dulden

Internetportale dürfen Ärzte und Zahnärzte aufführen und von Patienten bewerten lassen. Wegen des öffentlichen Interesses im Sinne der freien Arztwahl und auch wegen der Kommunikationsfreiheit besteht kein Anspruch auf Löschung des dort eingetragenen Profils. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Von Anja Mertens

Urteile vom 12. Oktober 2021
– VI ZR 488/19
und
VI ZR 489/19 –

Bundesgerichtshof

Wer im Internet

nach einem Arzt sucht, stößt schnell auf Bewertungsportale. Die meisten sind kommerziell. Manche bieten zusätzliche Gesundheitsinformationen, andere ausschließlich Arztbewertungen. Diese erfolgen meist in Form von Schulnoten, Sternen oder anderen Symbolen und sind garniert mit Kommentaren. Ob Ärzte von einem Bewertungsportal verlangen können, dass ihre Einträge gelöscht werden, beschäftigt immer wieder die Gerichte. So auch die Fälle zweier Zahnärzte, die dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vorlagen.

Basisprofil eingestellt.

Die beiden Zahnärzte hatten gegen das Ärztebewertungsportal Jameda geklagt. Dieses Portal erstellt für alle Ärzte ein Basisprofil, das Namen, akademischen Grad, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten und Sprechzeiten enthält. Hierfür werden Daten aus allgemein zugäng­lichen Quellen verwendet. Nutzer können die Ärzte bewerten und nach vorgegebenen Kriterien benoten. Für die unterschiedlichen Kategorien werden Durchschnittsnoten gebildet. Die sich daraus ergebende Gesamtnote erscheint in dem Profil des jeweiligen Arztes. Die Portalbetreiberin bietet Ärzten ein Gold- oder Platinpaket gegen monatliche Zahlungen von 69 beziehungs­weise 139 Euro an, was ihnen erlaubt, ihre Profile ansprechender zu gestalten. Da die beiden klagenden Zahnärzte kein Premiumpaket gebucht hatten, war von ihnen ein Basisprofil eingestellt. In die Aufnahme ihrer Daten hatten sie nicht eingewilligt.

Die beiden Zahnärzte verlangten von der Portalbetreiberin, ihre Daten aus dem Portal zu löschen und es künftig zu unter­lassen, ein Basisprofil von ihnen zu veröffentlichen, wenn auf ihren Profilen weiterhin Verweise auf Ärzte mit speziellen Behandlungsgebieten erscheinen oder nur zahlende Ärzte ihr Porträt-Bild und weitere Leistungen einstellen und ihre Praxis-Homepage verlinken können.

Bewertungsportale dürfen frei zugängliche Daten von Ärzten verarbeiten, so die obersten Zivilrichter.

Das Landgericht gab den beiden Klagen vollumfänglich statt und verurteilte die Portalbetreiberin dazu, die Daten zu löschen und es künftig zu unterlassen, Daten der beiden Kläger zu verwenden und öffentlich zugänglich zu machen. Die Portalbetreiberin legte Berufung beim Oberlandesgericht (OLG) ein. Es änderte das landgerichtliche Urteil teilweise ab und bestätigte grundsätzlich das Recht der Portalbetreiberin, weiterhin alle Ärzte zu listen.

Daraufhin legten die Zahnärzte Revision beim BGH ein. Doch die obersten Zivilrichter bestätigten das OLG-Urteil. Es bestehe kein datenschutzrechtlicher Löschungsanspruch nach Artikel 17 der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei rechtmäßig. Nach der DSGVO sei dies nicht nur bei einer Einwilligung der Fall, sondern unter anderem auch dann, „wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen der Beklagten oder eines Dritten erforderlich ist“. Hier könne sich das Portal auf solche „berechtigten Interessen“ berufen. Diese wögen schwerer als die Interessen der gegen ihren Willen aufgeführten Ärzte.

Öffentliches Interesse betont.

Auch nehme das Portal berechtigte Interessen von Nutzern wahr. Die Öffentlichkeit er­halte „einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden“. Zudem würden persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten vermittelt, die andere bei ihrer eigenen Arztwahl nutzen können.

Haftung bei Außenseitermethoden, Verordnung von Cannabis, Delegation ärztlicher Leistungen – diese und weitere Themen behandelt die 22. Frühjahrstagung der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins. Sie findet vom 1. bis 2. April in Wiesbaden statt. 

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Die Weiter­gabe auch fremder Meinungen sei durch die EU-Grundrechtecharta geschützt. Damit erfülle das Portal „eine von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion“, so der BGH. Hierfür sei die Verarbeitung der Daten erforderlich. Denn ohne die Identifizierbarkeit der Ärzte wäre ein solches Portal weder in der Lage, einen Überblick über die infrage kommenden Ärzte zu geben, noch, diese von Nutzern bewerten zu lassen. Die sich auf Namen, akademische Grade, berufsbezogene Informationen und abgegebene Bewertungen beschränkende Darstellung in den Basisprofilen erfülle diesen Zweck und gehe nicht über das unbedingt Notwendige hinaus.

Basisprofil darf kein Köder sein.

Zudem hob der BGH hervor, dass in jedem Einzelfall zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen und dem Grundrecht auf Meinungs- und Medienfreiheit abzuwägen ist. Dabei müsse die Frage in den Blick genommen werden, ob die Betreiberin als „neutrale Informationsmittlerin“ agiert. Wenn dem so ist, bestehe kein strenges Gebot zur Gleichbehandlung zahlender und nichtzahlender Ärzte. Maßgeblich sei vielmehr, welche Vor­teile zahlenden gegenüber nichtzahlenden Ärzten eingeräumt würden und ob die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung dazu führe, dass die Interessen des aufgenommenen Arztes die berechtigten Interessen der Portalbetreiberin und vor allem der Portalnutzer überwiegen.

Dies sei etwa dann der Fall, wenn die Portalbetreiberin die Basisprofile als Werbeplattform für konkurrierende zahlende Ärzte nutzt, um potenzielle Patienten von den nichtzahlenden zu den zahlenden Ärzten zu lenken und die nur mit ihren Basisdaten gelisteten Ärzte gezielt dazu zu bewegen, sich der Gruppe der Zahlenden anzuschließen. Denn dann würden die Basisprofile als „Köder“ missbraucht, um potenzielle Patienten zahlenden Ärzten zuzuführen. Dies jedoch sei vorliegend nicht der Fall. Die Gestaltung der Portalprofile würde die beiden Kläger nicht benachteiligen. Deshalb müssten sie es hinnehmen, in dem Portal geführt und bewertet zu werden.

Anja Mertens ist Rechtsanwältin im Justiziariat des AOK-Bundesverbandes.
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