In Bedrängnis
Die Lage in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist so ernst wie wohl selten in der bundesrepublikanischen Geschichte. Völlig ungewiss sind die weiteren wirtschaftlichen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Der für 2023 genannte Fehlbetrag von 17 Milliarden Euro dürfte nur die unterste Grenze sein, prognostiziert die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann. Im Interview mit G+G drängt sie auf rasche Reformanstrengungen: „Das Jahr 2023 wird entscheidend“.
Denn Krisen können Anlass für umfassende Reformen sein. Vor 30 Jahren, als die wirtschaftlichen Probleme infolge der Einheit immer größer wurden, verständigten sich Regierung und Opposition, Bund und Länder in Lahnstein auf das wohl bis heute umfassendste Reformpaket für die GKV, das Gesundheitsstrukturgesetz. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, analysiert in seinem Beitrag „Viel Klein-Klein nach Lahnstein“ die Voraussetzungen und damaligen Erfolgsfaktoren.
Allerdings ist die aktuelle Lage allein schon durch die Corona-Pandemie komplexer als 1992. Seit mehr als zwei Jahren sind die „Pflegeheime im Krisenmodus“. Die Wissenschaftler Adelheid Kulmey und Christian Hering von der Berliner Charité berichten über die Ergebnisse des Projekts „Covid-Heim“. Darin wird deutlich, wie sehr die Corona-Pandemie die Belastungen für Pflegepersonal und Pflegebedürftige verstärkt hat.
Noch gar nicht absehbar sind die Folgen von Covid-19 für Patienten selbst. Der Marburger Kardiologe Bernhard Schieffer ist sich sicher: „Long Covid wird ein Problem bleiben“. Im Interview mit G+G-Autorin Christine Möllhoff umreißt Schieffer die aktuelle Kenntnislage. Für ihn steht fest: Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen Universitätsmedizin und niedergelassenen Ärzten kann den Betroffenen helfen. „Verteilungskämpfe sind da fehl am Platz.“