Pflege bis zum Ruhestand
Um dem Personalmangel in der Pflege beizukommen, geht es auch darum, Beschäftigte lange gesund im Beruf zu halten. Voraussetzung dafür ist eine Arbeitsorganisation, die auf die Bedürfnisse jeder Altersgruppe Rücksicht nimmt. Von Hilke Nissen
Mit rund einem Drittel
stellt die Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen den größten Teil des Pflegepersonals. Elf Prozent sind 60 Jahre und älter, nur zwei Prozent sind jünger als 20 Jahre. Dies ermittelte das Statistische Bundesamt 2019 für die stationäre und ambulante Pflege in Deutschland. Daher wird es immer wichtiger, junge Fachkräfte zu gewinnen und eine alternde Belegschaft gesund zu erhalten. Die Gesundheit und die Motivation der Beschäftigten in allen Altersgruppen gilt es differenziert zu fördern, damit sie dem Pflegejob nicht den Rücken kehren. Von den 2.700 Pflegepersonen, die die Alice Salomon Hochschule in Berlin 2021 befragte, dachten knapp 40 Prozent einmal pro Monat daran, den Beruf an den Nagel zu hängen.
Teilzeit aufstocken.
Auch die hohe Teilzeitquote von rund 65 Prozent in der Pflege im Vergleich zu knapp 30 Prozent in anderen Berufsgruppen zwingt zum Handeln. „Es ist notwendig, Pflegekräfte jeder Altersgruppe und in jeder Lebensphase so zu stärken, dass sie gesund und dauerhaft im Job bleiben.
Gesundheit muss im Leitbild des Unternehmens verankert sein.
Dabei kann die Aufstockung bestehender Teilzeitstellen im Kampf gegen den Pflegenotstand eine große Rolle spielen“, so Werner Winter, Experte für Betriebliche Gesundheitsförderung beim AOK-Bundesverband.
Führungskräfte als Vorbilder.
„Betriebliche Gesundheit muss ein zentrales Thema in der Organisation des Unternehmens sein. Sie muss bei allen Entscheidungen mitgedacht und im Leitbild des Unternehmens verankert sein.
Dabei haben die Führungskräfte eine entscheidende Rolle und Vorbildfunktion“, betont Professor Andreas Müller, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Duisburg-Essen. Er untersucht seit 2017 mit dem Verbundprojekt „Seelische Gesundheit von Mitarbeitern im Krankenhaus“, wie Betriebliches Gesundheitsmanagement in Kliniken integriert werden kann.
- Lebenslanges Lernen für alle Altersgruppen
- Stärken und Schwächen der Mitarbeiter berücksichtigen
- Differenzierte Gesundheitsförderung für jedes Alter ermöglichen
- Alterns- und gesundheitsgerechtes Führen
Zu hohe Arbeitsbelastung, schlechte Arbeitsorganisation, fehlende Unterstützung und Wertschätzung sowie mangelnder Austausch im Team und mit den Vorgesetzten belasten die Pflegekräfte langfristig. Wenn aber Führungskräfte aktiv werden und Mitarbeitende an Entscheidungen beteiligen, sie mehr Handlungsspielräume beim Erledigen ihrer Aufgaben erhalten, wachsen Akzeptanz, Zufriedenheit und Engagement. Ein verlässlicher Dienstplan vermeidet überlange Arbeitszeiten und stressige Springerdienste. Lebensarbeitszeitkonten können Karriereplanungen in unterschiedlichen Lebensphasen ermöglichen.
Führungskräfte sind auch mit ihrer Selbstfürsorge ein Vorbild. Sie können gemeinsam mit dem Team die Belastungen ausgleichen, indem sie selbst Pausen nehmen. Diese fallen im verdichteten Pflegealltag häufig weg. „Regeneration ist wichtig. Das ist kein Luxus und keine Sozialromantik, sondern das ist einfach entscheidend, um auch gesund und motiviert bis ins hohe Erwerbsalter arbeiten zu können“, sagt Organisationspsychologe Müller.
Signal für den Nachwuchs.
„Gerade älteren Beschäftigten helfen kurze wiederkehrende Pausen, denn sie benötigen mehr Erholungszeit. Diese kleinen Maßnahmen können eine große Wirkung haben“, erklärt AOK-Experte Winter.
- AOK-Bundesverband: Pflege.Kräfte.Stärken
- Projekt: Care4Care
Um ältere Pflegekräfte gesund im Job zu halten, kann die Führungskraft etwa dafür sorgen, dass Nachtschichten verringert werden und schwere Arbeiten mit technischer Unterstützung erledigt werden können. Auch Alternativ-Arbeitsplätze, in denen die Expertise der Älteren zum Tragen kommt, sollten angeboten werden. Vorurteile, wie beispielsweise „Ältere sind häufiger krank und leisten weniger“, gilt es abzubauen. Mitarbeitergespräche und Weiterbildungen sollten auch für die ältere Pflegegeneration offenstehen. „Eine strategisch eingesetzte alternsgerechte Arbeitsorganisation hat für junge Nachwuchskräfte Signalcharakter, wirkt sich also positiv auf die Personalfindung aus. Die Fluktuation ist geringer: Gesunde, wertgeschätzte Beschäftigte stärken ein Unternehmen im Inneren genauso wie in der Außenwahrnehmung“, unterstreicht Winter.