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Kommentar

Pflege braucht Vorsorge

Unions-Politiker schlagen vor, die privaten Zuzahlungen für einen Heimplatz einzufrieren und den staatlichen Zuschuss der Pflegeversicherung anzuheben. Keine gute Idee, findet Andreas Mihm.

Wohin unüberlegte Politik

führt, lässt sich in der Pflegepolitik der vorigen Legislaturperiode trefflich besichtigen. Da legt eine Regierung nach langem Anlauf ein großes Reformprogramm auf, vernachlässigt aber ein paar Dinge sträflich: Es steht nicht genügend Personal, auch wegen der schlechten Bezahlung, zur Verfügung, um die wachsende Nachfrage zu decken. Die Kosten der Reform wurden systematisch unterschätzt. Um das Loch in der Kasse zu stopfen, mussten die Pflegebeiträge zu Jahresbeginn abermals stark angehoben werden.

Ob das Versprechen eines stabilen Beitrags bis 2022 hält, darf bezweifelt werden. Fürs Erste steigen Zuzahlungen der Patienten, vor allem in den Heimen, weil da die höchsten Kosten anfallen. Dagegen ist nichts zu sagen. Denn die Versicherung zahlt einen Basisbetrag, der Rest soll durch Rente und Ersparnisse gedeckt werden. Reicht das nicht, springt das Sozialamt, also der Steuerzahler, ein. Niemand fällt ins Bodenlose.

Das System würde auf den Kopf gestellt.

Das reicht vielen nicht. Obwohl die jüngste Großreform mit ihren Folgen noch nicht richtig verdaut ist, reden sie einer neuerlichen Pflegereform das Wort. Diesmal geht es um die Finanzierung. Um Patienten vor einem steigenden Eigenanteil zu bewahren, soll das System auf den Kopf gestellt werden, indem der Eigenanteil eingefroren, der Zuschuss der Versicherung erhöht wird. Das ist eine denkbar schlechte Idee. Denn sie nimmt jeden Anreiz, für das Alter selbst vorzusorgen. Das Argument, „Omas klein Häuschen“ dürfe nicht für die Pflege veräußert, sondern müsse geschützt werden, ist falsch. Denn das liefe darauf hinaus, dass private Ersparnisse an die Erben fließen, die Pflegekosten aber von der Allgemeinheit getragen werden. Das alte Schmähwort von der „Erbenschutzversicherung“ würde Wahrheit. Weil bei den erwarteten Kostenzuwächsen der Staat als Zahler einspringen soll, würde nebenbei das bewährte System der halbstaatlichen Finanzierung und Organisation der Versicherung ausgehebelt.

Umso mehr erstaunt, dass solche Verstaatlichungs-Ideen in Kreisen junger Unions-Politiker ernsthaft diskutiert werden. Das wäre nur ein neues Kapitel Pflegepolitik nach dem Muster „gut gemeint, schlecht gemacht“.  Die Reihenfolge muss bleiben: Eigenvorsorge, Teilabsicherung und Staatshilfe nur, wenn das nicht reicht.

Andreas Mihm ist Wirtschaftskorrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
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