„Selbstverwaltung ist kein Selbstzweck“
Die Politik macht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) derzeit ordentlich Dampf. Dazu Fragen an Wolfgang Söller, Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Bremen/Bremerhaven.
G+G: Das Vorhaben, nach dem das Bundesgesundheitsministerium neue Leistungen der gesetzlichen Kassen auch ohne Beschluss des GBA einführen soll, ist offenbar vom Tisch. Der Druck auf die Selbstverwaltung nimmt dennoch zu. Was halten Sie davon, Herr Söller?
Wolfgang Söller: Nichts. Wir haben ein seit Jahrzehnten bewährtes Prozedere bei schwierigen medizinischen Fragen: Der GBA entscheidet aufgrund wissenschaftlicher Expertise, was alles zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehört und was nicht. Diese Experten entscheiden nicht leichtfertig. Das zeigt sich auch beim Thema Lipödem, das den Streit ausgelöst hat.
G+G: Empfinden Sie das Ganze als Angriff auf die Selbstverwaltung?
Söller: Ja. Und wir müssen diesen Angriff entschieden abwehren. Selbstverwaltung ist doch kein Selbstzweck. Sie hat eine wichtige Rolle, die man nicht mal eben so per Gesetz einschränken darf. Das ist übrigens ein Standortvorteil. Die zweifellos vorhandenen starken Interessengegensätze zwischen Kostenträgern, Leistungserbringern und mächtigen Lobbygruppen müssen immer wieder stellvertretend für Patienten und Versicherte ausgeglichen werden.
G+G: Aber müssen Sie im Interesse der Patienten nicht für einen schlanken Weg sein, der neue Leistungen schnell ins System bringt?
Söller: Bei unzweifelhaften Leistungen geht es ja relativ schnell, bei anderen nicht. Das kann auch ein Vorteil sein. Wenn man etwa an den Hype um den angeblich überlegenen „Robodoc“ denkt oder an andere Behandlungsmethoden und Arzneimittel. Hier wäre der Irrtum und eine falsche Richtung in der Medizin vorprogrammiert – und damit auch der Schaden für Patienten und Beitragszahler.