Sprechstunde

Kritik an der Terminvergabe

Die Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen vermitteln nur einen kleinen Teil der Termine bei niedergelassenen Medizinern. Zudem lassen viele Patienten sie unentschuldigt verstreichen. Ärztefunktionär Dr. Dirk Heinrich stellt das System deshalb grundsätzlich infrage.

Das Terminservice- und Versorgungsgesetz

sieht vor, dass die Terminservicestellen ihr Angebot ausweiten. Geplant ist der Ausbau mit telefonischer und digitaler Erreichbarkeit unter der einheitlichen Rufnummer 116 117 an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr sowie die Vermittlung von haus- und kinderärztlichen Terminen. Ich erkenne in diesem Vorhaben des Gesetzgebers jedoch keine Lösung des Problems.

Inanspruchnahme steht in keinem Verhältnis zum Aufwand.

Grundsätzlich kann man Sinn und Zweck der Terminservicestellen infrage stellen, denn die Inanspruchnahme durch Versicherte steht in keinem Verhältnis zum Personal- und Kostenaufwand. Im ersten Jahr haben die Terminservicestellen von bundesweit 550 Millionen ambulanten Behandlungsfällen insgesamt nur rund 120.000 Termine vermittelt. Im Jahr 2017 hat sich die Terminsuche über die Vermittlungsstellen auf diesem niedrigen Niveau fortgesetzt – abgesehen von den neu hinzugekommenen Psychotherapeuten.

Darüber hinaus bin ich davon überzeugt, dass durch den Ausbau der Terminservicestellen keine neuen Termine entstehen werden. Der Großteil der vermittelten Termine betrifft Fachgruppen, in denen ohnehin zu wenige Ärzte niedergelassen sind, beispielsweise Rheumatologen, Neurologen, Psychiater und Augenärzte. Hier findet höchstens eine Umverteilung der wenigen verfügbaren Termine statt.

Säumige Patienten mit Sperre belegen.

Dass die Ressource „Arzttermin“ ein kostbares Gut ist, scheint bei vielen Patientinnen und Patienten trotz des bestehenden Mangels noch nicht angekommen zu sein. Anders lässt sich nicht erklären, dass viele von ihnen die über die Servicestellen vermittelten Termine unentschuldigt verstreichen lassen. Für uns Ärztinnen und Ärzte ist dies ebenso ärgerlich wie für andere Patienten, die durch dieses unsolidarische Verhalten länger warten müssen. Dennoch werden die Patienten auch im neuen Gesetz diesbezüglich nicht in die Pflicht genommen. Aus unserer Sicht ist eine Sperre für diejenigen Patienten, die ihren Termin unentschuldigt versäumen, unbedingt erforderlich.

Wer keine Terminmoral zeigt, verhält sich unsolidarisch gegenüber anderen Patienten.

Der Gesetzgeber muss dringend ein Zeichen dafür setzen, dass ein solches unsoziales Verhalten nicht unbeantwortet bleibt. Wir befinden uns in einem Solidarsystem, in dem es ein gesetzliches Wirtschaftlichkeitsgebot gibt. Wer keine Terminmoral zeigt, verhält sich unsolidarisch gegenüber anderen Patienten und unangemessen gegenüber den begrenzten Ressourcen im System.

Deshalb halten wir es für angebracht, säumige Patienten für vier Wochen von dem Angebot der Terminvermittlung auszuschließen. Die Umsetzung einer solchen Sperre könnte durch eine Rückmeldefunktion erfolgen, die in das System der Terminservicestellen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen integriert wird. Gesperrte Patienten werden weiterhin innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung behandelt, erhalten aber für vier Wochen keine Vergabe mehr über die Servicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen. Dafür schlägt der NAV-Virchow-Bund eine Ergänzung des Paragrafen 75 Absatz 1a Satz 10 Sozialgesetzbuch V vor, mit der die Vertragspartner des Bundesmantelvertrages eine entsprechende Regelung vereinbaren können.

Eingriff in die ärztliche Autonomie.

Grundsätzlich greift die Politik mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz stark in die ärztliche Selbstverwaltung und die Autonomie der selbstständigen Praxen ein. Das ist der falsche Weg, denn gute Versorgung braucht mehr Freiheit.

Ein Beispiel sind die drei Wege zum schnelleren Termin beim Facharzt – über die Terminservicestellen, über eine direkte Vermittlung durch den Hausarzt und schließlich über die offenen Sprechstunden –, für die der Patient jeweils eine Überweisung durch den Hausarzt benötigt. Das mag in manchen Fällen sinnvoll sein. Ob es allerdings als generelle Regelung sinnvoll ist, steht durchaus infrage. Positiv sehen wir, dass mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz erste Schritte in Richtung Entbudgetierung gegangen werden. So wird die ärztliche Leistung bei der Vermittlung über die Terminservicestelle vollständig entbudgetiert. Dieser Weg muss jetzt aber konsequent fortgesetzt werden. Meine Zukunftsvision wäre der komplette Wegfall der Budgetierung kombiniert mit einem Ende der Zulassungsbeschränkungen, wie es bei den Zahnärzten der Fall ist. Dies würde die Niederlassung für viele junge Kolleginnen und Kollegen garantiert attraktiver machen und das Terminproblem entschärfen.

Dirk Heinrich, Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und Allgemeinmedizin, ist Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes, Verband der niedergelassenen Ärzte Deutschlands e.V..
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