Im Sprengel Museum Hannover gaben Dr. Jürgen Peter, Dr. Daniel Sonntag, Professorin Alena Buyx und der Maler David Tollmann (v.l.n.r.) Denkanstöße.
Fachforum

Einladung zum Mitdenken

Schon heute hilft Künstliche Intelligenz Ärzten bei der Diagnose. Wie die Digitalisierung die Medizin weiter verändern wird, war Thema zum Auftakt einer neuen Veranstaltungsreihe der AOK Niedersachsen. Von Änne Töpfer

Würden Sie sich

von einem Computer medizinisch beraten lassen? Zu Beginn der Auftaktveranstaltung der neuen Reihe „Gesundheitsfrequenzen“ holte die AOK Niedersachsen ihre Gäste im Sprengel Museum Hannover mit einem Tele-Voting ins Boot.

Ergebnis: Bei einfachen Diagnosen würden sich 45 Prozent von ihnen auf den Rat eines Computers verlassen. Nur 22 Prozent antworteten mit „niemals“. Ein Drittel betrachtet sich als Treiber der Digitalisierung, wie eine weitere Publikums-Abstimmung ergab. Zu den Skeptikern zählten sich lediglich 17 Prozent der rund 100 Gäste aus dem Management der niedersächsischen Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Politik, von Hochschulen, Forschung und Wissenschaft sowie aus Kunst, Kultur und Kirche.

Mit der Auftaktveranstaltung der Reihe Gesundheitsfrequenzen unter dem Titel „Schöne neue Welt – Ersetzt der Computer bald den Arzt?“ rege die AOK Niedersachsen „zum Mitdenken darüber an, wie sich das Megathema Digitalisierung im Gesundheitswesen umsetzen lässt“, sagte Dr. Jürgen Peter, Vorstandsvorsitzender der niedersächsischen Gesundheitskasse.

Menge an hochwertigen Daten erhöhen.

Anregungen für gesundheits- und sozialpolitische Fragestellungen gaben mit ihren Vorträgen Professorin Alena Buyx, Medizinethikerin von der Technischen Universität München und Mitglied des Deutschen Ethikrates, sowie Dr. Daniel Sonntag vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken.

Sonntag beschäftigt sich mit kognitiven Assistenzsystemen – auch für Ärztinnen und Ärzte. In Hannover zeigte er in einer Animation, wie ein Arzt über eine Datenbrille die Krankengeschichte einer Patientin in Echtzeit abrufen kann – beispielsweise in der Visite.

Der Informatiker beschrieb aber auch, wo derzeit die technischen Grenzen Künstlicher Intelligenz liegen: Die Problematik liege in der Unsicherheit, Vagheit und Unvollständigkeit der Informationen. Für die erfolgreiche Anwendung von Künstlicher Intelligenz sei der Zugang zu Daten und die Integration in komplexe medizinische Dienstleistungen entscheidend. Deshalb müsse die Menge an nutzbaren, qualitativ hochwertigen Daten deutlich erhöht werden. „Ich bin dafür, dass wir die Daten, die wir künftig mit der elektronischen Patientenakte gewinnen, auch in der Forschung nutzen können“, betonte Sonntag.

Auch Alena Buyx sieht das „enorme Potenzial“ der Künstlichen Intelligenz (KI). Angesichts der wachsenden Evidenz zu medizinischer KI gebe es eine Pflicht zur Weiterentwicklung, „weil wir eine Technologie haben, die weiter ist als wir Mediziner“, so Buyx. KI könne die Autonomie bei Patienten und Ärzten steigern. Wichtig sei aber, „über Risiken und Schadenspotenziale nachzudenken und zu reden“. Algorithmen in der Medizin dürften keine Blackbox sein, sondern müssten erklärbar bleiben. Dazu sollten Mediziner und Informatiker besser zusammenarbeiten. „Die ethischen Herausforderungen von KI in der Medizin sind überwindbar“, so Buyx.

Breite Akzeptanz erzeugen.

AOK-Chef Jürgen Peter resümierte: „Die Welt da draußen entwickelt sich schneller, als wir es in unserer Komfortzone wahrhaben wollen. Wir sollten die Chancen der neuen Technologien nutzen und Schaden vermeiden, um so breite Akzeptanz zu erzeugen.“ Er plädierte dafür, die Umsetzung der Digitalisierung zu beschleunigen. Das geplante Digitale-Versorgungs-Gesetz biete hierfür gute Rahmenbedingungen, so Peter.

Die Reihe Gesundheitsfrequenzen wird am 7. November fortgesetzt mit dem Thema „Das Lebensende gestalten – Ist gutes Sterben möglich?“. Expertinnen und Experten werden das Thema aus den Blickwinkeln Pflege, Ethik, Intensivmedizin und Ehrenamt beleuchten.

Weitere Informationen zur Veranstaltungsreihe Gesundheitsfrequenzen

Änne Töpfer ist verantwortliche Redakteurin der G+G.
Bildnachweis: AOK Niedersachsen/Tim Schaarschmidt