Minister-Trio wertet Pflegejob auf
Gut 180 Seiten umfassen die Ergebnisse der Konzertierten Aktion Pflege (KAP). Sie sind damit umfangreicher als der Koalitionsvertrag von Union und SPD. Im Kern geht es um höhere Löhne und mehr Personal. Von Thorsten Severin
30.000 bis 40.000 Stellen
können in der Altenpflege laut Gesundheitsminister Jens Spahn schon jetzt nicht besetzt werden. Und die Situation verschärft sich zusehends. Die Beschäftigten klagen über Überlastung und zu wenig Geld. Mit der KAP hatten sich Spahn und seine Ministerkollegen Dr. Franziska Giffey (Familie) und Hubertus Heil (Arbeit) vor einem Jahr in die Hand versprochen, spürbar etwas für die Pflegekräfte zu verbessern. An der KAP waren rund 50 Verbände und Interessengruppen beteiligt, darunter der AOK-Bundesverband. Mit dem Abschluss der Beratungen geht es laut Spahn nun in die Umsetzung, man wolle nicht nur etwas aufschreiben. „Wir bleiben jetzt auch dran“, versprach er.
Verhandlungen mit Verdi.
Bundesweit soll in der Altenpflege, in der bislang deutlich weniger verdient wird als im Krankenhaus, schon bald nach Tariflohn und damit zu höheren Konditionen bezahlt werden. Ein neuer Arbeitgeberverband, zu dem gemeinnützige Verbände wie etwa die AWO gehören, soll die Höhe mit der Gewerkschaft Verdi aushandeln. Eine geplante Änderung des Entsendegesetzes soll es Heil ermöglichen, diesen dann einfacher als bisher für die gesamte Branche verbindlich vorzuschreiben. „Jetzt liegt der Ball bei Arbeitgebern und Gewerkschaften“, sagte der SPD-Politiker.
Für den Fall des Scheiterns gibt es einen Plan B: Dann sollen laut Heil „höhere und differenzierte Lohnuntergrenzen“ durch die Pflegekommission festgelegt werden. Diese sollen auch die höheren Lohngruppen betreffen.
Spahn vertrat die Ansicht, dass jeder in der Altenpflege mindestens 2.500 oder 2.600 Euro verdienen solle. Zudem hält der CDU-Politiker es für richtig, dass bei Tarifverhandlungen „plus/minus“ 3.000 Euro herauskommen. Wie das bezahlt werden soll, bleibt offen. Ein IGES-Gutachten für das Gesundheitsministerium zeigt auf, dass die höheren Löhne je nach Modell Kosten zwischen 1,4 und 5,2 Milliarden Euro verursachen. Notwendig sei ein „fairer Ausgleich“, verkündete Spahn.
Am Ende dürfte es wohl auf einen Mix aus Beiträgen, Steuermitteln und Eigenbeteiligungen sowie Gewinnen der Pflegeheimbetreiber hinauslaufen. Ministerkollege Heil versicherte aber, ein Rückgriff auf die Kinder von Pflegebedürftigen solle künftig nicht mehr möglich sein, wenn diese weniger als 100.000 Euro im Jahr verdienen.
Fachkräfte aus dem Ausland.
Doch die Beschlüsse gehen noch weiter: So soll es künftig am Bedarf orientierte Personalschlüssel geben, in Krankenhäusern wie auch in Pflegeheimen. Außerdem will die Regierung mehr ausländische Fachkräfte gewinnen.
Für diese sollen bürokratische Hürden abgebaut werden, indem etwa Abschlüsse leichter anerkannt und die Verfahren in den deutschen Botschaften beschleunigt werden. Die Fach- und Sprachausbildung wird künftig in den Herkunftsländern unterstützt. Zur Entlastung der Pflegekräfte soll die Digitalisierung Einzug in den Pflegealltag halten und die „Zettelwirtschaft“ (Spahn) ablösen. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Zahl der Auszubildenden wie auch der Ausbildungsstätten bis zum Jahr 2023 um zehn Prozent zu steigern.
Schon 2020 startet die neue Pflegeausbildung. Das Schulgeld gehört dann der Vergangenheit an, die Schüler erhalten eine Vergütung. Mit einer Informations- und Öffentlichkeitskampagne will Giffey für die neue Ausbildung werben.
Umsetzung braucht langen Atem.
Spahn machte deutlich, dass echte Verbesserungen bei der Pflege nicht innerhalb weniger Monate zu erreichen sein werden. Insgesamt handele es sich um eine Aufgabe für zehn bis 20 Jahre.
Krankenkassen und Pflegevertreter begrüßten die Beschlüsse, betonten aber, dass es nun auf die Umsetzung ankomme. Der Vorstandschef des AOK-Bundesverbandes, Martin Litsch, unterstrich, die KAP habe zahlreiche gute Lösungen für die Pflege entwickelt. Zugleich mahnte er, sich bei den Löhnen den Folgen eines „nach oben offenen Leistungsversprechens“ ehrlich zu stellen. Dies sei dringend nötig, denn die Pflege sei nur bis 2022 ausreichend finanziert.