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Fortschritt
Neue Perspektiven für die Versorgung
Der medizinisch-technologische Fortschritt schreitet unaufhaltsam voran. Besonders der Einsatz digitaler Technologien und personalisierter Behandlungsansätze verändert in den kommenden Jahren die gesundheitliche Versorgung radikal. Bahnbrechende Forschungsergebnisse und weitreichende Innovationen werden durch Big Data, künstliche Intelligenz und Robotik erzielt. Wie konkret dies aussehen kann, beschreibt die vorliegende Publikation in Beiträgen namhafter Autoren aus dem In- und Ausland. Vorgestellt werden die Nutzungsmöglichkeiten von kognitiven virtuellen Assistenten in der Gesundheitsversorgung, künstlich-intelligenzbasierten Diagnoseunterstützungssystemen und Blockchain-Anwendungen. Vielversprechend sind zahlreiche Forschungsansätze, die die Therapie von Erkrankungen revolutionieren können. Die Autoren nennen hier die Entwicklung von Exoskeletten in Kombination mit der epiduralen Stimulation zur Wiederherstellung der Gehfunktion oder die „Genschere“ zur Editierung des humanen Genoms, um genetische, onkologische oder Autoimmunerkrankungen heilen zu können. Solche Entwicklungen verändern aber auch das Selbstverständnis von Arzt und Patient sowie die Rolle der Krankenkassen. Wie ihre Aufgaben in Zukunft aussehen könnten, wird ebenfalls ausführlich diskutiert.
Erwin Böttinger, Jasper zu Putlitz (Hrsg.): Die Zukunft der Medizin. 2019. 250 Seiten. 39,95 Euro. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
Medizin
Begleitung statt Profitorientierung
Aufgabe der Ärzte ist die Begleitung von Patienten aus der einsamen Welt der Krankheit zurück in die Welt der Gesundheit. So beschreibt es der Arzt Bernd Hontschik in seinem Buch „Erkranken schadet Ihrer Gesundheit“. Doch davon sei die Ärzteschaft heute weit entfernt. Das Gesundheitswesen bewege sich seit Jahren weg von der Fürsorge hin zur Profitorientierung. Nicht der Mensch stehe im Mittelpunkt von Medizin und Gesundheitswesen, so Hontschik, sondern das Kapital. Die eigentliche Aufgabe der Ärzte drohe unterzugehen in Management-Programmen, Kodierungen, Konzerninteressen, Studien und im Kampf ums Geld. In nahezu 40 Beispielen zeigt er eindrücklich, wie das profitorientierte Gesundheitswesen besonders seit Einführung des Fallpauschalensystems zum Schaden der Patienten agiert. So führt er die teuren, aber wirkungslosen Operationen bei Verschleiß des Meniskus an, die hohe Kaiserschnittrate und die zunehmende Zahl von Wirbelsäulenversteifungen. Aber auch das Vorgehen der Pharmaindustrie und der Verbände, wie die Weltgesundheitsorganisation oder die Europäische Arzneimittelbehörde, trügen dazu bei, dass die Medizin zu einem profitorientierten Industriezweig verkomme. Hontschiks dringlicher Appell an seine Leserinnen und Leser lautet daher: „Rettet das solidarische Gesundheitswesen vor dem Würgegriff des Kapitalismus!“
Bernd Hontschik: Erkranken schadet Ihrer Gesundheit. 2019. 160 Seiten. 16 Euro. Westend Verlag, Frankfurt am Main.
Sterbebegleitung
Anstöße für eine Care Community
Nach Zahlen des Pflege-Reports 2016 wünschen etwa 60 Prozent der Bevölkerung, zu Hause zu sterben. Die Realität sieht jedoch anders aus: Die meisten Menschen verbringen ihre letzten Lebenstage im Krankenhaus, Pflegeheim oder Hospiz. Nur etwa 20 Prozent sterben in den eigenen vier Wänden. Wie lässt sich diese Differenz zwischen Wunsch und Wirklichkeit verringern? Der vorliegende Band greift die Ergebnisse des Pflege-Reports auf und stellt sie Analysen der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung von Menschen in der letzten Lebensphase gegenüber. Dabei wird die Rolle der Ärzte, Palliativmediziner, ambulanten Pflege und Hospizarbeit in der häuslichen Begleitung Sterbender ausführlich behandelt und kritisch beleuchtet. Ergänzt mit persönlichen Erfahrungsberichten von pflegenden Angehörigen und Ehrenamtlichen der Hospizarbeit erhalten die Leserinnen und Leser ein lebenswirkliches Bild über die Praxis der Sterbebegleitung in Familien. Dabei wird deutlich: Die häusliche Pflege für sterbende Menschen benötigt ein unterstützendes Netzwerk vor Ort: Nachbarn, Freunde, Kollegen, Gemeindemitglieder. Dort, wo sich mehrere Akteure an der Sorge beteiligen, wird gutes Sterben zu Hause möglich. Um dies zu gewährleisten, braucht es mehr Unterstützung von Seiten der Politik sowie der Kranken- und Pflegekassen.
Thomas Klie, Christine Bruker (Hrsg.): Sterben in Verbundenheit. 2019. 150 Seiten. 39,99 Euro. medhochzwei Verlag, Heidelberg.
Psychische Erkrankungen
Raus aus der Tabuzone
Menschen mit psychischen Erkrankungen treffen in ihrem Umfeld häufig auf Unverständnis. Da heißt es „Du siehst aber nicht krank aus!“ oder „Du willst doch nur Aufmerksamkeit“. Die Folge ist, dass die Erkrankten aus Scham ihre Probleme zunehmend vertuschen und keine Hilfe suchen. Diese Erfahrung machte Dominique de Marné. Sie litt 15 Jahre lang unter Depressionen, die in ein Borderline und eine Alkoholabhängigkeit mündeten. Erst durch Gespräche mit Freunden reifte langsam ihr Entschluss, sich zu outen und in professionelle Behandlung zu gehen. Schließlich beschließt sie, mit einem Blog an die Öffentlichkeit zu gehen. Daraus entwickelte sich die Bewegung „travelling the borderline“, die heute erfolgreich über psychische Erkrankungen aufklärt. Genau darum geht es de Marné nun auch mit ihrem Buch. Hier erzählt sie nicht nur ihre eigene Geschichte, sondern informiert über Symptome, Therapien und Präventionsmöglichkeiten. Anschaulich und offen verknüpft sie dies mit eigenen Erfahrungen. Ein lesenswertes Buch, das psychische Erkrankungen aus der Tabuzone holt.
Dominique de Marné: Warum normal sein gar nicht so normal ist ... und warum reden hilft. 2019. 240 Seiten. 18 Euro. Scorpio Verlag, München.