Porträt
Jetzt mal Toro

Tante-Pharma-Laden

Würde Rosamunde Pilcher noch leben, hätte sie daran ihre helle Freude: Die Berliner Union-Studios stehen ganz kurz vor der Verfilmung der Pharmaromanze „Das Ende der Rabattverträge“. Wir dürfen uns schon jetzt auf die Rückkehr des guten alten Tante-Pharma-Ladens freuen. Rezeptfreie Anmerkungen von Thomas Rottschäfer.

Gesundheit zusammen!

Ich werde alt. Sonntags schalte ich immer öfter vom Tatort ins Zweite. Herzflimmern. Landlust statt Mordlust. Fernsehen für die Seele.

Der gutmütige Bäcker, die rosige Metzgersgattin, der kauzige Buchhändler und selbstverständlich der herzensgute Landarzt – alle sind sie da. Und sie kümmern sich rührend um die blonde Bankerin, die ein gebrochenes Herz wieder zurück in ihr Heimatdorf gespült hat.

ToRo zum Hören:

Und dort hinten, ganz am Ende der Rosamunde-Pilcher-Allee, öffnet gerade die freundliche Tante Generika ihren kleinen Pharma-Laden. Liebevoll füllt sie ihre handgedrehten Pillen in die marmorierten Papierröllchen. Den kleinen Ritz schnitzt sie noch immer mit dem uralten Apothekermesser einzeln in jede Tablette.

Ach ja, die gute alte Zeit. Aus und vorbei.

„Das muss nicht sein!“ sagt uns jetzt der Pharmaverband Pro Generika. „Damit der kleine Tante-Pharma-Laden auch bei uns wieder öffnet, müsst Ihr nur diese fürchterlichen Arzneimittelrabattverträge abschaffen.“ Allein das Wort „Rabattvertrag“ löst bei den Pillendrehern Vorhofflimmern aus. Seit Jahren dienen sie deshalb der Politik ihr Pilcher-Drehbuch an.

Jetzt, so scheint es, hat die Union angebissen. In einem Papier der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion tauchen ganze Szenen aus der Pharma-Schmonzette auf. Es geht um Maßnahmen, wie man Engpässe bei Medikamente verhindern kann. Kurz gesagt: Die Vorschläge laufen darauf hinaus, dass die sehr erfolgreichen Rabattverträge auf einen Schlag ihre Kraft verlieren.

Spannend an der Sache:

Die Rabattverträge sind gar nicht die Bösen. Nicht einmal ein Prozent der in Deutschland gemeldeten Lieferprobleme betreffen Medikamente mit Rabattvertrag. Für Lieferengpässe gibt es viele Gründe Sie haben vor allem mit der störanfälligen globalen Produktion zu tun. Deshalb gibt es auch in den USA und vielen anderen Industrieländern Ausfälle. Dort gibt es gar keine Rabattverträge.

Der deutsche Generikamarkt macht gerade mal vier Prozent der weltweiten Pharma-Bilanz aus. Würden sich die Global Player aus den USA tatsächlich Gedanken über die AOK-Rabattverträge machen, hätte Donald Trump die „terrible Discount Contracts“ längst auf Twitter wüst beschimpft. Pillen-Peanuts sind das trotzdem nicht. Allein im vergangenen Jahr konnten die Kassen durch Rabattverträge vier Milliarden Euro sparen. Beitragsgeld.

Das Geld wird dringend gebraucht.

Schließlich muss sich im echten Leben jemand um die Oma und den Opa der blonden Bankerin kümmern. Denn nachdem der gutmütige Bäcker, die rosige Metzgersgattin, der kauzige Buchhändler und auch der herzensgute Landarzt weggezogen sind, ist es ihr im Dorf schnell langweilig geworden. Sie arbeitet jetzt in der Strategieabteilung eines global agierenden Pharmakonzerns.

Gute Besserung!

Thomas Rottschäfer ist freier Journalist.
Bildnachweis: privat