Sinnvolle Untergrenzen?
Seit Januar gelten in Kliniken für vier pflegeintensive Bereiche Personaluntergrenzen. Verhandlungen über weitere sind kürzlich gescheitert. Hat sich das Instrument generell bewährt?
Georg Baum, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG):
Untergrenzen haben zu Einschränkungen bei der Versorgung geführt, vor allem bei der Notfallversorgung und den Intensivstationen. Zwar haben die Kliniken sie zu 96 Prozent eingehalten oder übererfüllt, doch dies nur durch den Abbau von Patientenaufnahmen und unter einer immensen bürokratischen Last. Wir müssen uns von den nach dem Beliebigkeitsprinzip festgelegten Untergrenzen lösen, eine bedarfsorientierte Personalbemessung einschließlich der Berücksichtigung aller helfenden Hände als Ganzhausansatz und die Vollfinanzierung einer Vorhaltung einführen, die allen Sanktionsgelüsten gerecht wird.
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes:
Pflegepersonaluntergrenzen dienen ganz direkt dem Patientenschutz und helfen die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte ein Stück weit zu verbessern. Deshalb: Ja, wir brauchen Untergrenzen und zwar nicht weniger, sondern mehr. Für eine gute Versorgung sind ausreichend viele Pflegekräfte entscheidend. Insbesondere begrüßen wir, dass die Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums vorsieht, auf den Intensivstationen ausschließlich Pflegefachkräfte auf die neue Untergrenze anzurechnen. Hier wird umgesetzt, was auf der Verhandlungsebene mit den Krankenhäusern leider nicht möglich war.
Andreas Westerfellhaus, Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung:
Die Pflegepersonaluntergrenzen stellen einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. So wird eine Grenze definiert, unterhalb derer die Personalausstattung im Krankenhaus nicht fallen darf, um eine Gefährdung von Patienten zu vermeiden. Langfristig brauchen wir aber eine Personalausstattung, die sich an den Bedarfen der Patienten bemisst, um Arbeitsverdichtung entgegenzuwirken und eine gute Pflege zu gewährleisten. Ich freue mich daher sehr, dass der Deutsche Pflegerat, die DKG und ver.di gemeinsam bis Ende dieses Jahres ein Konzept zur Pflegebedarfsbemessung im Krankenhaus vorlegen wollen.
Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats:
Die Einführung von Pflegepersonaluntergrenzen ist nur sinnvoll, wenn sie mit einem Personalbemessungsverfahren in Bezug gesetzt werden. Das ist nicht der Fall: Die Grenze wurde willkürlich bei zehn bis 25 Prozent gezogen und damit eine angeblich sichere Versorgung definiert. Nachdem nur für vier Fachbereiche Untergrenzen festgelegt wurden, kommt es zu unerwünschten Nebeneffekten, um Vorgaben zu unterlaufen. Oder es gibt Druck auf Pflegedirektorinnen und -direktoren, wenn die Personalausstattung besser ist als die Untergrenze. Die Untergrenzen verfehlen insgesamt das Ziel, als rote Linie zu dienen, die nur im Ausnahmefall berührt wird.
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