Für Sie gelesen 4
Pflege
Dem Notstand begegnen
Die Krise des Pflegeberufs hat Konsequenzen für die gesamte Gesellschaft, wenn eine gute Versorgung Pflegebedürftiger nicht mehr geleistet werden kann. Davon ist Anja Huber überzeugt und versucht im vorliegenden Band, Ansätze zur Lösung des Notstands zu entwickeln. Dabei geht sie schrittweise vor. Zunächst skizziert sie, was zu der angespannten Situation geführt hat. Nach einem historischen Rückblick verdeutlicht die Autorin, welche Auswirkungen die Ökonomisierung im Gesundheitswesen auf den
Arbeitsalltag der Pflegenden heute hat. Anschließend zeigt sie auf, dass in dieser ökonomisierten Welt die Entscheidung, einen helfenden Beruf zu ergreifen, nicht mehr vordergründig eine Sache des Herzens ist, sondern eine Frage der Ausbildung und Qualifikation. Die Akademisierung rückt auch in der Pflege immer mehr in den Mittelpunkt. Dass dies negative Auswirkungen auf den Pflegeberuf haben kann, legt die Autorin ebenfalls dar. Denn gerät das Berufsethos unter Druck, erschwert dies die Identifikation mit dem Beruf. Unzufriedenheit, emotionale Erschöpfung und Kündigungen sind die Folgen. Dies zeigt, dass monetäre Anreize allein nicht ausreichen, um Pflegekräfte zum Bleiben zu bewegen, sondern auch ein emotionales und von Wertschätzung geprägtes Umfeld notwendig ist. Wie das gelingen kann, erörtert die Autorin abschließend.
Anja Huber: Wert(er)schöpfung: Die Krise des Pflegeberufs. 2019. 284 Seiten. 54 Euro. Nomos Verlag, Baden-Baden.
Algorithmen
Digitalisierung mit Licht und Schatten
Im November 2017 ließ die US-amerikanische Arzneimittelbehörde eine Pille mit einem verdaulichen Sensor zu. Diese überwacht, ob der Patient regelmäßig sein Medikament einnimmt. Damit ließe sich das Problem der Non-Compliance (Therapietreue) effektiv bekämpfen und immense Folgekosten vermeiden. Doch was hilfreich klingt, birgt auch Gefahren. Denn der Schritt hin zu einer Überwachung, in der die smarte Pille als Druckmittel eingesetzt wird, scheint nicht mehr weit. Einleuchtend beschreibt Adrian Lobe anhand konkreter Beispiele aus unserem Alltag, wie eine vermeintlich geniale Digitaltechnik zum Fluch werden kann. Denn die Millionen Daten, die wir freiwillig durch die Nutzung von Suchdiensten, Fitnesstrackern und virtuellen Assistenten generieren, sind Futter für algorhithmische Systeme, auf deren Basis unbemerkt eine Steuerung möglich ist. In seiner düsteren Zukunftsvision zeigt der Autor, dass dies das Ende der Demokratie bedeuten kann. Denn wenn ein System weiß, was jeder will und tut, gibt es keinen Bedarf an Wahlen und Abstimmungen. Der Leser fragt sich: Wollen wir das? Und können wir dem überhaupt noch entrinnen? Antworten darauf gibt Lobe nicht. Sein Ziel ist vielmehr, die Augen zu öffnen für die Gefahren der Digitalisierung. Das gelingt ihm. Ein Plädoyer für den Datenschutz.
Adrian Lobe: Speichern und Strafen. 2019. 256 Seiten. 16,95 Euro. Verlag C. H. Beck, München.
Krebs
Lebensmut und Hoffnung teilen
Als Marlene Bierwirth nach mehrwöchiger Übelkeit mit ständigem Erbrechen, Sehstörungen und einem Hörsturz die erschreckende Diagnose „metastasiertes Medulloblastom“, bösartiger Hirntumor, erhält, ist sie gerade 18 Jahre alt und steckt mitten im Abitur. Der Schock sitzt tief. Doch gestützt von ihrer Familie nimmt sie mutig den Kampf gegen die lebensbedrohliche Krankheit auf. Es folgt ein 13-monatiger Marathon aus Operationen, Chemotherapie und Bestrahlung. Wut, Resignation, Furcht und Hoffnung – Marlene durchlebt ein Wechselbad der Gefühle. In ihrem Tagebuch schreibt sie sich dies von der Seele. Schließlich beschließt sie, ihr Schicksal mit anderen zu teilen. Das Echo auf ihren Blog und ihre Instagram-Posts ist groß. Sie merkt, dass sie mit ihrem Schicksal nicht allein ist, anderen Mut machen kann, aber auch selbst Kraft und Energie für ihren Kampf gegen den Krebs erhält, bis sie ihn schließlich besiegt. Ihr Buch, in dem sie in berührenden Worten ihre Geschichte noch einmal erzählt, ist ein Dankeschön an alle, die sie in dieser schweren Zeit begleitet haben – ihre Familie, Freunde und all die Menschen in der Internet-Community. Denn heute weiß sie: Nicht Medizin allein heilt eine Krankheit. Es braucht die Liebe, das Vertrauen und die Unterstützung anderer Menschen.
Marlene Bierwirth: Meine Medizin seid ihr! 2019. 240 Seiten. 14,95 Euro. Eden Books, Hamburg.
Humanitäre Hilfe
Erlebnisse eines Arztes ohne Grenzen
Einen Tag nach Einreichen seiner Promotion kündigt der Notarzt und Intensivmediziner Tankred Stöbe seine unbefristete Arbeitsstelle und seine Wohnung, um für „Ärzte ohne Grenzen“ die medizinische Grundversorgung im umkämpften Grenzgebiet zwischen Myanmar und Thailand zu gewährleisten. Dies ist der Auftakt für eine inzwischen 17-jährige Tätigkeit in zahlreichen Krisengebieten der Welt. In seinem Buch nimmt Stöbe die Leserinnen und Leser mit auf seine Einsätze nach Nepal, Liberia, Sierra Leone und in viele weitere Länder. Sie erfahren, mit welchen organisatorischen und medizinischen Herausforderungen er und sein Team zu kämpfen haben, um Menschen zu helfen, die nach Naturkatastrophen alles verloren haben, von grassierenden Tropenkrankheiten dahingerafft werden oder Opfer kriegerischer Konflikte sind. Authentisch und berührend beschreibt Stöbe die Schicksale einzelner Menschen und nahezu vergessener Regionen. Doch trotz des Leids und der Ungerechtigkeiten, die er dort sieht, erlebt der Mediziner auch tiefberührende Menschlichkeit. Dies motiviert ihn bei jedem Einsatz neu und lässt ihn dankbar nach Hause zurückkehren. Ein wertvolles Buch, das zum Nachdenken anregt.
Tankred Stöbe: Mut und Menschlichkeit. 2019. 192 Seiten. 14,99 Euro. Fischer Verlag, Frankfurt/Main.