Spielräume vor Ort erhalten
Viel Kritik erntete das Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) auf einer Veranstaltung der AOK Baden-Württemberg. Auf dem Podium plädierten Experten mit Blick auf Qualität, Effizienz und Patientenwohl dafür, Gesundheitsversorgung regional zu steuern. Von Ines Körver
Das FKG war in den Ländern
schon auf massiven Widerstand gestoßen, als es noch die Abkürzung für Faire-Kassenwahl-Gesetz war. Auch Nachbesserungen und die Umbenennung in Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz konnten daran nichts ändern. Dies zeigte sich bei der Veranstaltung „AOK im Dialog“ der AOK Baden-Württemberg in Stuttgart Ende November unter dem Motto „Besser regional. Wie clevere Lösungen vor Ort zu hoher Versorgungsqualität führen“.
Alternative Regelversorgung bedroht.
Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha erläuterte den rund 350 Zuhörern seine Lesart der politischen Agenda von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Er warnte davor, mittels FKG die Axt an die seit 2008 in Baden-Württemberg aufgebaute Alternative Regelversorgung zu legen. „Jens Spahn ist ein Finanzer und ein Zentralist. Er will in die Geschichte eingehen, indem er die Kassenbeiträge nivelliert und senkt.“ Ordnungs-, leistungs- und vergütungsrechtlich habe Spahn noch nichts hinbekommen: „Er macht lediglich minutiöse Vorgaben, die man vor Ort nicht bedienen kann.“ Lucha warnte davor, „sich weiterhin im Kleinklein zu verlieren“. Stattdessen müssten Ziele definiert werden. Genau das machten die Akteure in Baden-Württemberg, die mit den Haus- und Facharztverträgen eine effiziente, an Qualität und Patientenwohl orientierte Alternative Regelversorgung auf die Beine gestellt hätten. Baden-Württemberg habe die geringste Bettendichte, die niedrigste Krankenhausaufnahmequote und die höchsten Investitionskostenanteile deutschlandweit und würde dafür mit dem FKG nun abgestraft. Die Höhe dieser Strafe bezifferte Dr. Christopher Hermann, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg, auf jährlich 500 Millionen Euro. Das sei der Betrag, der aufgrund der im FKG vorgesehenen Regionalkomponente aus Baden-Württemberg in andere Regionen abfließen solle. Dabei wandere das Geld überwiegend in Ballungsräume.
Wettbewerb kann sinnvoll sein.
Professor Klaus Jacobs, Leiter des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, erklärte, dass das FKG nicht dem Ziel gerecht werde, die Versorgung zu verbessern. Der Minister und viele Gesundheitspolitiker glaubten, man könne jedwede Versorgung mit den gleichen Mitteln steuern. Aber gerade Wettbewerb sei mal sehr sinnvoll und mal nicht. Auf dem flachen Land oder in der Notfall- und Palliativversorgung habe er nichts zu suchen, wohl aber an anderer Stelle. „Wo der versorgungsorientierte Kassenwettbewerb machbar ist, sollte er gefördert werden. Wo er nicht möglich oder sinnvoll ist, muss jemand den Hut aufhaben, speziell für die Sicherstellung.“ Das FKG schaffe dafür jedoch keinerlei Voraussetzungen.
Monika Lersmacher, Verwaltungsratsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, beklagte, mit dem FKG werden die Rechte der Selbstverwaltung unterminiert, etwa durch einen hauptamtlich besetzten Lenkungs- und Koordinierungsausschuss im GKV-Spitzenverband. In der Podiumsdiskussion äußerte Constanze Schaal, Geschäftsführerin Reha-Zentren der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg, die Befürchtung, dass aufgrund des FKG Pflegekräfte in Ballungszentren abwandern würden, wo sie mehr Geld verdienen könnten.
Werner Baumgärtner, Vorstandsvorsitzender von MEDI Baden-Württemberg und Deutschland, kündigte an, die Ärzte in Baden-Württemberg gingen auf die Straße, wenn Jens Spahn die Selektivverträge gefährde: „Wir wollen keine Politik, die uns bestraft, sondern eine, die Anreize setzt, Qualität zu liefern.“ Hermann bilanzierte: „In der Alternativen Regelversorgung setzen wir das Geld effizienter ein, und die Leute sind gesünder. Das FKG ist ein Angriff auf unsere patientenzentrierte Versorgung. Den gilt es abzuwehren.“