Stationäre Versorgung

Klinikumbau für mehr Qualität

Weniger ist mehr – das gilt zumindest für die Zahl der Krankenhäuser. Denn eine Zentralisierung und Spezialisierung der stationären Versorgung verbessert die Behandlungsergebnisse, betont Dirk Bürger. Er skizziert Chancen und Hürden einer Neustrukturierung der Kliniklandschaft.

Die Pandemie zeigt,

dass wir in Deutschland weniger Krankenhäuser brauchen. 70 Prozent der Corona-Patienten wurden in 25 Prozent der Kliniken behandelt. Spezialisierte Krankenhäuser haben an Covid-19 erkrankte Patienten adäquat versorgt. Experten empfehlen deshalb, auch in anderen stationären Bereichen auf gebündelte Kompetenz zu setzen.

Doch wenn es um den Umbau von Krankenhausstrukturen geht, sieht die Reaktion stets gleich aus: Gesundheitspolitiker auf Bundesebene stellen fest, dass es insgesamt zu viele Krankenhäuser gibt. Landes- und Kommunalpolitiker sprechen sich für den Erhalt der Krankenhäuser in ihrer Region aus. Und die Bürger protestieren gegen Schließungen, auch wenn sie sich zur Behandlung lieber in ein spezialisiertes, weiter entferntes Krankenhaus begeben.

Die Bertelsmann Stiftung empfahl im Sommer 2019, die Zahl der Krankenhäuser von rund 1.400 auf etwa 600 mehr als zu halbieren. Das Ziel: mit mehr Ärzten und Pflegekräften pro Haus und Patienten die Versorgungsqualität verbessern. Doch die Interessenvertreter der Krankenhäuser warnten gemeinsam mit der Deutschen Stiftung Patientenschutz vor einem Kahlschlag bei der wohnortnahen Versorgung. Nachdenkliche Stimmen, wie die von Verena Bentele, gingen unter. Die Präsidentin des Sozialverbands VdK schrieb im Handelsblatt vom 8. August 2019: „Wir brauchen eine patientengerechte, keine klinikgerechte Versorgung.“ Patienten könnten in vielen kleinen Krankenhäusern nicht adäquat behandelt werden, denn es fehle an Fachwissen und technischer Ausstattung. Daher stellte auch Bentele die Frage: „Warum diese Häuser erhalten?“

Überkapazitäten in den Metropolen.

Bei der Diskussion um den Kapazitätsabbau geht es vor allem um die Metropolen. Dort bestehen Überkapazitäten, die dazu führen, dass eng benachbarte Kliniken das gleiche Leistungsspektrum anbieten. Das ist unwirtschaftlich und ineffizient, weil die Krankenhäuser um Fachkräfte und Expertise konkurrieren. Das zeigt sich beispielsweise bei der Herzkatheter-Behandlung: In einem Umkreis von 25 Kilometern um Gelsenkirchen bieten 40 Krankenhäuser diese Leistung an. Hinzu kommen noch 19 Arztpraxen.

Patienten können in vielen kleinen Kliniken nicht adäquat behandelt werden.

Patienten fällt es schwer, sich in diesem Angebotsdschungel zu orientieren. Zwar hilft der AOK-Gesundheitsnavigator bei der Suche nach den Anbietern einer Leistung. Damit bessert sich jedoch nicht automatisch die Qualität der stationären Versorgung. Würden künftig nur noch die Krankenhäuser für eine Leistung vergütet, die höchste Qualitätsanforderungen erfüllen, würde das nicht nur Kosten sparen, sondern auch den Patienten nützen. Damit ergibt sich eine klassische Win-Win-Situation.

Warum ist das dennoch so schwer durchsetzbar? Krankenhäuser sind wichtige regionale Wirtschaftsfaktoren. Sie vergeben Aufträge an Bäcker, Metzger, Gebäudereiniger oder Handwerker und sind oft einer der größten Arbeitgeber. Zum anderen geben sie Politikern die Möglichkeit, sich im Wahlkampf zu inszenieren. Zudem sorgen Krankenhäuser bei Bürgern für ein allgemeines Gefühl von Sicherheit. Sie versprechen im Notfall schnell erreichbare Hilfe. Doch viele Menschen bevorzugen qualitativ bessere Häuser, auch wenn sie weiter entfernt liegen. Wenn künftig hohe Qualität allen zur Verfügung stehen soll, müssen Patienten in Kauf nehmen, weitere Strecken zurückzulegen. Mit dem Kliniksimulator des GKV-Spitzenverbandes kann jeder Interessierte prüfen, welche Folgen die Schließung eines Krankenhauses für die Erreichbarkeit hat. Für die Akzeptanz von Umstrukturierungen ist es, nebenbei bemerkt, wichtig, dass die Politik für eine gute Erreichbarkeit von Kliniken auch mit Bussen und Bahnen sorgt.

Dänemark macht es vor.

Dass eine Zentralisierung die Qualität der stationären Versorgung sichert oder erhöht, zeigt das Beispiel Dänemark. Seit dem Jahr 2007 findet dort ein konsequenter Umbau der Krankenhausstrukturen statt. Mit einer Bündelung von medizinischen Leistungen und einer Spezialisierung will die dänische Regierung für einen effizienteren Einsatz von Ärzten und Pflegepersonal sorgen. Von 40 Krankenhäusern mit Notaufnahme sollen 21 erhalten bleiben. Zudem strukturiert Dänemark die Notfallversorgung neu und baut die ambulanten Versorgungsstrukturen aus. Im Rahmen des „Super-Hospital-Programms“ investiert der dänische Staat rund 5,4 Milliarden Euro. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Versorgung deutlich besser geworden ist.

Grafik: OECD-Vergleich – Deutschland hat wenig Personal am Krankenbett

In Deutschlands Krankenhäusern stehen weit weniger Ärzte und Pflegekräfte zur Versorgung der Patienten bereit als beispielsweise in Dänemark. Während bei unseren Nachbarn im Norden auf 1.000 Belegungstage rechnerisch 3,3 Ärzte und zehn Pflegekräfte entfallen, sind es hierzulande lediglich 0,9 Ärzte und 2,2 Pflegekräfte. Dass in Deutschland damit letztlich weniger Personal für die einzelnen Patienten zur Verfügung steht, wirkt sich auf die Behandlungsqualität und die Berufszufriedenheit aus.

Quelle: SVR Gesundheit, Datengrundlage OECD 2017

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichtete am 19. Januar 2020 unter dem Titel „Dänemarks eilige Retter“ über die bisherigen Erfolge der Reform. Laut Professor Terkel Christiansen, Gesundheitsökonom an der Universität von Odense, ist die Zahl der Krankenhäuser mittlerweile von 40 auf 21 reduziert worden. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Dänen ist in dieser Zeit um fast drei Jahre gestiegen. Die Zahl der Todesfälle bei Herzerkrankungen ist um ein Viertel gesunken. Damit liegt Dänemark bei der Überlebensrate auf Platz 2 der OECD. Auch sank die Wartezeit für chirurgische Eingriffe um ein Fünftel. Besonders spannend ist die Entwicklung beim Personal. Die Zahl der in den Kliniken beschäftigten Ärzte und Pfleger ist deutlich angestiegen. Sie sind zudem seltener krank als früher. Dies wertet Christiansen als einen Hinweis auf eine verbesserte Motivation und Arbeitsorganisation.

Katja Kilb Jacobsen, Ärztin aus Deutschland, arbeitet in einem dänischen Krankenhaus. In der ARD-Sendung „Hart aber fair“ (18. November 2019) antwortete sie auf die Frage von Moderator Frank Plasberg, ob sie wieder zurück nach Deutschland kommen würde, dass sie sich lieber in Dänemark als in Deutschland behandeln lassen würde und auch wegen der besseren Arbeitsbedingungen in Dänemark bleibe.

Betreuungsverhältnis verbessern.

Weniger Krankenhäuser können die Qualität der medizinischen Versorgung und die Berufszufriedenheit der Beschäftigten steigern. Wenn es in Deutschland zu einer vergleichbaren Reform käme, müssten sich die meisten Beschäftigten in den Krankenhäusern, vor allem aber Pflegekräfte und Ärzte, keine Sorgen um ihre berufliche Zukunft machen. Sie werden weiterhin gebraucht und würden in spezialisierten Zentren für eine bessere Personalausstattung sorgen. Obwohl in Deutschland insgesamt mehr Ärzte als in Dänemark tätig sind, stehen bei unseren skandinavischen Nachbarn drei Mal so viele Ärzte zur Versorgung der Patienten bereit (siehe Grafik „Deutschland hat wenig Personal am Krankenbett“).

Besonders deutlich wird das bessere Betreuungsverhältnis beim Pflegepersonal. In Dänemark stehen fünf Mal mehr Pflegekräfte am Patientenbett. Dies führt zu besseren Ergebnissen bei der Behandlungsqualität und Berufszufriedenheit.

  • Britta Zander, Julia Köppen, Reinhard Busse: Personalsituation in deutschen Krankenhäusern in internationaler Perspektive. In: Jürgen Klauber, Max Geraedts, Jörg Friedrich, Jürgen Wasem (Hrsg.): Krankenhaus-Report 2017. Schattauer, 2017. Download
  • AOK Gesundheitspartner-Portal: Krankenhaus

Von weniger Krankenhäusern bei einer gleichzeitig besseren Qualität und Ausstattung sowohl mit Pflegekräften als auch Ärzten sowie einer modernen Medizintechnik würden Patienten, Personal und Gesellschaft in Deutschland profitieren. Patienten würden besser versorgt, ihre Überlebenschancen steigen und die Behandlungsergebnisse verbessern sich.
 
Beim medizinischen Personal würde die Berufszufriedenheit zu- und die Berufsflucht abnehmen – in Zeiten des allgemeinen Fachkräftemangels ein unschätzbarer Vorteil. Die Gesellschaft würde profitieren, weil die Mittel aus der gesetzlichen Krankenversicherung, aber vor allem die – aktuell unzureichenden – Landesmittel für Investitionskosten, effizienter eingesetzt werden. Wissen und Konzepte für die notwendige Modernisierung der Krankenhausstruktur sind vorhanden. Zuversicht, Mut und politischer Gestaltungswille müssen die Begleiter sein, damit eine zukunftsfähige und den Menschen dienende Krankenhauslandschaft entstehen kann.

Dirk Bürger ist Referent in der Abteilung Politik/Unternehmensentwicklung beim AOK-Bundesverband.
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