Neues aus der Uni

„Politik ohne wissenschaftliche Perspektive wird willkürlich“

In der Rubrik „Neues aus der Uni“ stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Martin Karlsson, Ph.D, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen und Direktor des CINCH – Forschungszentrum für Gesundheitsökonomik.

Herr Professor Karlsson, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Martin Karlsson: Die Covid-Pandemie hat mich dazu bewogen, ein altes Forschungsinteresse wieder aufzunehmen, nämlich die Auswirkungen von der Spanischen Grippe 1918–19. In einer internationalen Kooperation sammeln wir gerade historische Daten über Schulschließungen und andere Maßnahmen während der damaligen Pandemie. Unser Ziel ist es zu verstehen, wie effektiv die Maßnahmen in der Bekämpfung der Pandemie waren. Vor allem aber liegt unser Fokus auf den langfristigen Konsequenzen für die Kinder, deren Recht auf Schulbildung nicht gewährt wurde.

Porträt von Martin Karlsson, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen

Zur Person

Martin Karlsson leitet an der Universität Duisburg-Essen (UDE) den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Gesundheitsökonomik, und ist seit 2014 Direktor des CINCH – Forschungszentrum für Gesundheitsökonomik. Nach einem Wirtschaftsstudium an der Universität von Lund/Schweden promovierte er 2007 am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz. Vor seinem Wechsel an die UDE lehrte Karlsson an der Technischen Universität Darmstadt, der Universität Oslo, an der Universität Oxford und der Cass Business School in London.

Wie fördern Sie die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Karlsson: Die mangelnde Internationalisierung der Wissenschaft in Deutschland ist ein großes Problem. Durch eine Vielzahl von internationalen Forschungskooperationen, mit Partnerinnen und Partnern aus verschiedenen Disziplinen, leben wir ein anderes Konzept vor. Zudem hat sich unsere jährliche Tagung „Essen Health Conference“ zu einer der weltweit führenden Tagungen für Gesundheitsökonomik entwickelt. Auch unser internationales Austauschprogramm hat in den vergangenen Jahren viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Essen gebracht und unseren eigenen wissenschaftlichen Nachwuchs in die Welt befördert.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Karlsson: Auf jeden Fall, das ist ja während der Pandemie offenkundig geworden. Zum Beispiel verfügt die Gesundheitsökonomik über Methoden, die die Kosten und den Nutzen von Corona-Maßnahmen abwägen können. Ohne diese Perspektive wird die Politik willkürlich. Allerdings müssen die Rollen getrennt bleiben: Wissenschaftler, die versuchen Politik zu machen, sind in der Regel keine guten Wissenschaftler.

Silke Heller-Jung führte das Interview. Sie hat in Frechen bei Köln ein Redaktionsbüro für Gesundheitsthemen.
Bildnachweis: Universität Duisburg-Essen, Foto Startseite: iStock.com/uschools