Porträt
Kommentar

Kein weiterer Stillstand

Die Regierung hat die Digitalisierung zu einem Schwerpunkt erklärt. Doch im Gesundheitssektor geht hier kaum etwas voran. Das kann auf keinen Fall so bleiben, meint Gerhard Schröder.

Ende Januar

standen die selbsternannten „E-Rezept-Enthusiasten“ in bitterer Kälte vor dem Bundesgesundheitsministerium. Sie bejubelten, dass mittlerweile eine Million Rezepte elektronisch ausgestellt worden sind. Besonders eindrucksvoll ist das aber nicht, angesichts von mehr als 500 Millionen Verschreibungen pro Jahr. Aber es ist mehr als nichts. Und darüber kann man sich im digitalen Entwicklungsland Deutschland schon mal freuen.

Tatsächlich gibt es wenig Fortschritt. In der Modellregion Westfalen-Lippe hat die Kassenärztliche Vereinigung den Roll-Out des E-Rezepts im Herbst gestoppt. Kaum voran kommt auch das eigentliche Herzstück der Digitalisierungsstrategie: die elektronische Patientenakte (ePA). In ihr könnten lebensrettende Patientendaten gespeichert und schnell abgerufen werden. Medikationspläne, Befunde und Röntgenaufnahmen würden unnötige Doppeluntersuchungen verhindern und die Qualität der medizinischen Versorgung verbessern. Seit zwei Jahren müssen die Krankenkassen die ePA anbieten. Doch nicht mal ein Prozent der Patienten nutzt sie.

Die Akteure müssen an einem Strang ziehen.

Wie es bei der Digitalisierung besser geht, zeigt der Blick nach Estland, Schweden oder Israel. In diesen Ländern sind die Krankenhäuser, Arztpraxen und Apotheken längst digital vernetzt. Dort nutzen 99 Prozent der Patienten die elektronische Patientenakte, können mit ein paar Klicks auf ihrem Smartphone ihre Gesundheitsdaten abrufen. In Deutschland dagegen wird weiter ausgedruckt und gefaxt.

Es hakt an vielen Stellen. Mal sind es datenschutzrechtliche Fragen, mal technische Probleme, die den digitalen Fortschritt bremsen. Vor allem aber zeigt sich, dass die wichtigsten Akteure im Gesundheitswesen – Ärzte, Kliniken, Krankenkassen und Apotheken – selten an einem Strang ziehen. Auch die Versuche des ehemaligen Gesundheitsministers Jens Spahn, den Beteiligten durch politischen Druck und rigide Terminvorgaben Beine zu machen, haben wenig gefruchtet.

So steht mal wieder ein Neustart an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat immerhin erkennen lassen, dass die Digitalisierung des Gesundheitswesens weit oben auf seiner Agenda steht. Bis 2025 sollen 80 Prozent der gesetzlich Versicherten die ePA nutzen. Wie er dieses Ziel erreichen will, steht allerdings in den Sternen. Klar ist nur: Weiteren digitalen Stillstand kann sich Deutschland nicht leisten.

Gerhard Schröder ist Redakteur bei Deutschlandfunk Kultur.
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