Interview

„Der RSA ist ein lernendes System“

Die fachliche Diskussion über den RSA empfindet Frank Plate als spannend. Nun gelte es, die vorliegenden Erkenntnisse für die Praxis zu nutzen. Im Interview mit Karola Schulte erklärt der Präsident des Bundesversicherungsamtes (BVA), warum der Strukturausgleich dennoch auch in Zukunft lernfähig bleiben muss.

Herr Plate, das BVA hat bei den Gutachten zum Morbi-RSA intensiv mit den Experten zusammengearbeitet. Was waren Ihre wichtigsten Erfahrungen in diesem Prozess und was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse?

Frank Plate: Von der organisatorischen Erfahrung einmal abgesehen waren gerade die – manchmal kontroversen – fachlichen Diskussionen spannend. Mir hat dabei die sachorientierte Suche nach tragfähigen Kompromissen imponiert. Wenn man bedenkt, dass die Gutachten durch Wissenschaftler unterschiedlicher „Denkschulen“ erarbeitet worden sind, ist es bemerkenswert, dass alle Empfehlungen einstimmig abgegeben wurden. Inhaltlich hat der Beirat klare und begründete Empfehlungen erarbeitet, etwa für den Wegfall der Krankheitsbeschränkung oder für eine Regionalkomponente. Überrascht hat mich, dass einige Verbände schon vor Veröffentlichung der Gutachten-Langfassungen eine dezidierte Haltung zu den Empfehlungen hatten. Wegen der finanziellen Auswirkungen bleibt die Diskussion über sinnvolle Reformen wohl leider auch auf Basis von wissenschaftlichen Erkenntnissen schwierig.

Portrait Frank Plate

Zur Person

Frank Plate, geboren 1961 in Hattingen/Ruhr, ist seit März 2015 Präsident des Bundesversicherungsamtes. Er studierte Rechtswissenschaften in Trier. Von 1999 bis 2010 war er in verschiedenen leitenden Positionen im Bundesversicherungsamt tätig, anschließend bis 2015 Leiter der Unterabteilung Personal, Haushalt im Bundesfamilienministerium.

 

Reicht die wissenschaftliche Basis jetzt für eine Reform des RSA?

Plate: Zumindest liegt eine Vielzahl an Erkenntnissen und Vorschlägen auf dem Tisch, die genutzt werden können. Aber auch nach einer Reform bleibt der RSA ein „lernendes System“, das es kontinuierlich fortzuentwickeln gilt. So stehen zum Beispiel die Studien zum Krankengeld und zu den sogenannten Auslandsversicherten noch aus. Beide dürften zum Ausgangspunkt für weitere Anpassungen werden.

Wie kann das BVA die Umsetzung der RSA-Weiterentwicklung unterstützen – auch mit Blick auf die Manipulationsresistenz?

Plate: Bei der Anpassung des Klassifikationsmodells wird der Aspekt der Manipulationsresistenz weiterhin eine zentrale Rolle spielen. Auch die Prüfungen nach Paragraf 273 SGB V, mit denen Datenmeldeverstöße aufgedeckt werden, spielen eine wichtige Rolle. Eng eingebunden sind wir bei der Fortentwicklung des RSA-Rechtsrahmens. Dies spiegelt sich etwa im Heil- und Hilfsmittelgesetz wider. Die Verbote persönlicher oder softwarebasierter Kodierberatung beziehungsweise von Vergütungsanreizen in Selektivverträgen, die auf eine gesteigerte Diagnosedokumentation abzielen, wurden darin unmissverständlich klargestellt. Gemeinsam mit den Länderaufsichten hat das BVA zudem wichtige Beschlüsse zur Durchsetzung dieser Normen gefasst. Sicher ist, dass das BVA am Ball bleiben wird.

Karola Schulte stellte die Fragen. Sie ist stellvertretende Chefredakteurin der G+G.
Bildnachweis: Jürgen Schulzki