Für Sie gelesen 4
Krankenhaus
Einblicke in eine Notaufnahme
Seit mehr als zwanzig Jahren arbeitet der stellvertretende pflegerische Leiter Michael Steidl in der Zentralen Notaufnahme. Ein Ort für Unfälle und plötzlich auftretende Erkrankungen. Und ein Ort, an dem Menschen aller Nationalitäten und jeden Alters in Ausnahmesituationen aufeinandertreffen. Das birgt Stoff für Geschichten. Während eines Sommers begleitet ihn der Autor Fabian Marcher bei seiner Arbeit. Offen, ehrlich und ungeschönt gewähren sie in lebendigen, eindrucksvollen Episoden Einblicke in einen Arbeitsalltag, der um vier Uhr nachmittags die gleiche Wachsamkeit verlangt wie um drei Uhr morgens. Routine und Ausnahmezustand, Konzentration und Hektik, Ordnung und Chaos – die Erzählungen handeln vom Erfahren, Aufbrechen und Überschreiten dieser Grenzen. Da ist der randalierende Alkoholiker, die Frau mit dem Hundebiss in der Brust oder der Mann mit Messerstichverletzungen und kollabiertem Lungenflügel. Schnell wird dem Lesen klar: Der Arbeitsalltag in der Notaufnahme ist anspruchsvoll und alles andere als vorhersehbar. Doch das Buch ist kein simples Sammelsurium von Anekdoten. Im Mittelpunkt stehen Mediziner und Pflegende mit ihren Nöten und Sorgen. Doch Mitleid wünschen sich die Autoren nicht. Vielmehr möchten sie für ihre notwendige und sinnvolle Arbeit respektiert werden. Das Buch ist ein wichtiger Beitrag dazu.
Michael Steidl, Fabian Marcher: Weil es ohne uns nicht geht. 2020. 288 Seiten. 17,95 Euro. Eden Books, Berlin.
Gesundheitskommunikation
Grenzen digitaler Angebote
Immer mehr Menschen nutzen digitale Medien zur Gesundheitsförderung, Krankheitsprävention und -bewältigung: Wearables ermöglichen die automatisierte Selbstüberwachung von Körperfunktionen, Online-Communities ersetzen Selbsthilfegruppen mit persönlichen Treffen, und das Internet avanciert zu einer der wichtigsten Quellen bei der Suche nach Gesundheitsinformationen. Die Vorteile, wie leichterer Zugang oder Empowerment, liegen auf der Hand. Doch gleichzeitig sind digitalen Technologien in der Gesundheitskommunikation Grenzen gesetzt und bergen Risiken. Der vorliegende Band mit Beiträgen von Wissenschaftlern aus der Kommunikationsforschung zeigt die Folgen der digitalen Gesundheitskommunikation auf. Im ersten Teil befassen sich die Forschenden mit den Möglichkeiten und dem Einfluss digitaler Technologien in der ärztlichen Versorgungspraxis. Im Fokus der Beiträge des zweiten Themenfeldes stehen Potenziale und Grenzen digitaler Medientechnologien für die Nutzer. Um die Wirkung gesundheitsbezogener digitaler Medienangebote geht es im dritten Teil des Bandes. Die Beiträge zeigen, dass die zunehmende medienbezogene Gesundheitskompetenz nicht automatisch zu einem gesünderen Verhalten oder zu einer besseren medizinischen Versorgung führt. Hier braucht es andere Ansätze.
Anja Kalch, Anna Wagner (Hrsg.): Gesundheitskommunikation und Digitalisierung. 2020. 235 Seiten. 49 Euro. Nomos-Verlag, Baden-Baden.
Künstliche Intelligenz
Zwiegespräche mit Chatbots
Was passiert, wenn in nicht allzu ferner Zukunft Supercomputer mit Künstlicher Intelligenz (KI) intelligenter als wir Menschen sind und nicht nur triviale Alltagsprobleme beheben, sondern sich mit philosophischen Themen unserer Zeit beschäftigen? Wenn KI-gesteuerte Social-Bots nicht nur Wähler, sondern auch Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Kultur beeinflussen? Wird dann alles besser? „Reden wir mit ihnen!“, fordert der Philosoph und Medienethiker Peter Seele. Erheiternd ergründet er in zwei humorvollen Dialogen, wie diskurs- und kommunikationsfähig die preisgekrönten Avatare Rose und Mitsuku tatsächlich sind, wenn es um philosophische Themen der menschlichen Existenz geht. Seeles Zwischenfazit fällt ernüchternd aus. Für eine erhellendere Antwort versucht er mithilfe von fünf Thesen, dem KI-Rausch und der Maschinisierung von Menschen auf den Grund zu gehen. Sein Ergebnis: Der Traum von einem weisen Algorithmus bleibe ein Traum. Gegenwärtig erfülle die KI einen instrumentellen Zweck. Um das zu ändern, bräuchten wir gute Lehrer, die uns anleiten, wie wir uns zu selbstreflektierenden, kritischen und autonomen Intelligenzen entwickeln können. Denn letztlich ist jede Maschine ein Spiegel unseres Selbst.
Peter Seele: Künstliche Intelligenz und Maschinisierung des Menschen. 2020. 200 Seiten. 21 Euro. Verlag Herbert von Halem, Köln.
Europa
Kooperation bei digitalen Projekten
Deutschland befindet sich im Bereich Digitalisierung, Big Data und KI weit abgeschlagen hinter den USA, China und anderen europäischen Ländern. Seine Werte und Freiheitsrechte kann Deutschland jedoch nur erhalten, wenn es die digitalen Technologien aktiv mitgestaltet. Dabei ist in einer globalen Welt ein einheitliches europäisches Handeln von Vorteil. Das gilt auch für die medizinische Versorgung und Forschung. Das Buch informiert über die Rahmenbedingungen und stellt wegweisende Projekte vor, die zeigen, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen in Europa bereits Wurzeln geschlagen hat. Zu nennen ist das Projekt „Rare-Disease Code“ zur Erforschung seltener Erkrankungen. Mithilfe spezieller Tools werden Orphacodes in die Kodiersysteme anderer europäischer Länder implementiert, um mittels einheitlicher Kodierung allen Interessengruppen einen gleichwertigen Wissenszugang zu sichern. Ein weiteres Beispiel ist Smart4Health unter Beteiligung des Innovationszentrums Digitale Medizin Aachen zur Erprobung einer EU-weiten interoperablen, bürgerzentrierten elektronischen Patientenakte. Die vorgestellten Initiativen machen Mut, sich den Herausforderungen zu stellen.
Jens Baas (Hrsg.): Digitale Gesundheit in Europa. 2020. 360 Seiten. 64,95 Euro. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.