Instrument für gute Pflege?
Trotz Corona-Pandemie sollen die Pflegepersonaluntergrenzen wieder in Kraft treten. Sind sie ein sinnvolles Mittel oder ein Hindernis, um gute Versorgung zu gewährleisten?
Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats e. V.: Pflegepersonaluntergrenzen (PpUG) können ein sinnvolles Instrument sein – wenn sie gut gemacht sind. Sie sollen Situationen verhindern in denen Patienten zu Schaden kommen. Wir kritisieren an den Untergrenzen vor allem die Definition auf Basis eines willkürlichen statistischen Wertes und die Art der Einführung. Wirksame Personaluntergrenzen brauchen als Referenzgröße ein Personalbemessungsinstrument. Die Aussage, mit den PpUG sei Patientensicherheit gewährleistet, ist nicht belegbar. Ob gerade in der Belastung durch die Pandemie die vorliegenden Untergrenzen hilfreich sind, darf bezweifelt werden.
Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschlands e. V.:
Im Frühjahr hat die Politik die Pflegepersonaluntergrenzen ausgesetzt, um die Krankenhäuser in der Pandemie zu entlasten. Jetzt beginnt die kalte Jahreszeit mit drohenden Corona- und Grippeinfektionswellen, die auch den Krankenstand beim Klinikpersonal erhöhen werden. Dass alle Untergrenzen wieder in Kraft treten und sogar ausgeweitet werden sollen, ist nicht nachvollziehbar. In der Pandemie brauchen Kliniken Flexibilität. Ansonsten droht wegen der starren Vorgaben, dass aus Personalmangel Bettenkapazitäten gesperrt werden müssen, die für die Versorgung dringend nötig sind.
Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied des GKV-Spitzenverbandes:
Gerade bei hoher Arbeitsfrequenz im Krankenhaus zeigt sich, wie wichtig eine starke Personaldecke ist. Eine Untergrenze schützt das Pflegepersonal vor völliger Überlastung und sichert damit ein Mindestversorgungsniveau. Auch in der Pandemie bleibt diese Regelung essentiell, zumal sie wichtige Informationen zur pflegerischen Versorgungssituation liefert. Für eine gute Pflege sollten PpUG zügig für alle bettenführenden Stationen in Kraft treten. Häuser, die coronabedingt diese Anforderungen nicht erfüllen können, haben keine Sanktionen zu befürchten. Das ist gesetzlich und auch über unsere Vereinbarungen ausgeschlossen.
Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI):
Wir müssen die Pfegepersonaluntergrenzen-Verordnung erneut aussetzen. Es gibt zu wenig Fachpersonal und in den vergangenen Wochen ist auch kein neues dazu gekommen. Deshalb erwarte ich ein klares Signal von der Politik, damit wir per Verordnung die Krankenhäuser aus dem Regelbetrieb wieder in einen Covid-19-Betrieb führen können. Damit könnten Kapazitäten aus anderen Krankenhausbereichen für alle schwerkranken Patienten mit und ohne Covid-19 zur Verfügung gestellt werden. Für uns in den Kliniken ist es eine große Belastung, den Regelbetrieb parallel zu fahren. Um mehr Kapazitäten frei zu setzen, könnten wir Fachpersonal aus der Anästhesie einsetzen, das die gleiche Ausbildung hat, wie es Intensivmediziner haben.