Gelenkersatz aus Erfahrung
Wegen des lädierten Knies oder der kaputten Hüfte denken viele Patienten über ein Implantat nach. Doch welche Kliniken erzielen gute Ergebnisse? Und wie lange halten die künstlichen Gelenke? Routinedaten liefern wertvolle Hinweise. Von Thomas Hommel
Stechende Schmerzen,
der Spaziergang eine Tortur, die Lebensqualität eingeschränkt: Menschen mit lädiertem Knie oder kaputter Hüfte können ein Lied davon singen. Viele entscheiden sich für ein künstliches Gelenk. So wurden laut einem Report des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen in deutschen Kliniken allein 2016 knapp 230.000 Hüft- und über 165.000 Knieendoprothesen eingesetzt.
Für die Betroffenen selbst stellt sich derweil die Frage: Welche Klinik gehört zu den besten beim Gelenkersatz? Wichtige Hinweise hierzu liefert das Verfahren zur Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR). Das etablierte Verfahren ist bereits im Jahr 2002 aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt des AOK-Bundesverbandes, der HELIOS Kliniken, des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und des Forschungs- und Entwicklungsinstituts für das Sozial- und Gesundheitswesen Sachsen-Anhalt hervorgegangen. „Heute ermöglicht es durch Auswertung von Abrechnungsdaten der Kliniken und niedergelassenen Ärzte eine Messung der Behandlungsqualität über den eigentlichen Krankenhausaufenthalt hinaus. Das bedeutet: Es werden auch Komplikationen und Folgeereignisse wie Revisions-Operationen berücksichtigt, die binnen eines Jahres nach der Entlassung des Patienten auftreten“, so Dr. Elke Jeschke, QSR-Projektleiterin beim WIdO. Diese langfristige, sektorenübergreifende Perspektive auf die Behandlungsqualität sei in Deutschland „bislang einzigartig“.
Dabei wird das QSR-Verfahren kontinuierlich um neue Leistungsbereiche erweitert, um ein möglichst umfassendes Bild der Qualität liefern zu können. So soll es ab diesem Herbst erstmals eigene QSR-Berichte für Kliniken zu den Ergebnissen der Operation des Leistenbruchs sowie zum Hüftprothesenwechsel geben. Ab Oktober 2019 sollen diese auch im AOK-Krankenhausnavigator für Patienten, Angehörige sowie einweisende Haus- und Fachärzte abrufbar sein.
Das Verfahren zur Qualitätssicherung mit Routinedaten liefert langfristige Ergebnisse.
Fallzahl entscheidend.
Für die Behandlungsqualität beim Gelenkersatz ist es – neben der Schmerzfreiheit und Gehfähigkeit – entscheidend, wie oft es bei oder nach der Behandlung zu Komplikationen oder unerwünschten Folgeeingriffen kommt. „Das wollen Patienten und Operateure wissen“, sagt WIdO-Klinikexperte Christian Günster: „Wir ermitteln die Komplikationen direkt aus den Routinedaten, ohne dass in der Klinik noch mehr dokumentiert werden muss.“ Bei der Betrachtung der Behandlungsergebnisse für die Häuser, die elektive Gelenkersatzoperationen erbringen, falle aber noch etwas auf: „Je öfter Gelenkoperationen vorgenommen werden, desto größer ist die Routine und desto seltener kommt es zu Komplikationen.“
Professor Dr. Andreas Halder bestätigt den Befund. Mit schwierigen Operationen, sagt der Chefarzt für Operative Orthopädie der Sana-Kliniken im brandenburgischen Sommerfeld, sei es wie beim Klavierspielen: „Schon nach kurzer Pause ist man nicht mehr so geübt – nach langem Aussetzen sogar unsicher.“ Daher sei es wichtig, dass nicht nur der Operateur, sondern auch das Team durch regelmäßiges Ausführen eines schwierigen Eingriffs in Übung bleibe. Dafür sei eine gewisse Mindestanzahl an Eingriffen nötig.
Die Grundlage für die Qualitätsmessung im Verfahren zur Qualitätssicherung mit Routinedaten (QSR) bilden anonymisierte Routinedaten der AOK. Dazu gehören Angaben zu Erkrankungen und Eingriffen, Liegezeiten, Verlegungen und abgerechneten Entgelten sowie – je nach Leistungsbereich – auch Abrechnungsdaten und Arzneiverordnungsdaten von niedergelassenen Ärzten. Diese Informationen werden fallübergreifend und in Verbindung mit weiteren administrativen Versichertendaten der Krankenkasse wie etwa dem Alter und Geschlecht der Patienten oder dem Versichertenstatus analysiert. Dabei werden alle Angaben so anonymisiert, dass verschiedene Behandlungsereignisse einem Patienten zugeordnet werden können, ohne dass die Identität des Betreffenden bekannt oder ermittelbar ist.
Weitere Informationen zur Qualitätssicherung mit Routinedaten
Register als Frühwarnsystem.
Konkrete Vorgaben wünschen sich Experten auch für die Implantate. Sie verweisen darauf, dass künstliche Gelenke oft wieder ausgetauscht werden müssten. Abhilfe verspricht das freiwillige Endoprothesenregister (EPRD), das von Orthopäden und Chirurgen gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband, den Ersatzkassen sowie dem Herstellerverband BVMed aufgebaut wurde. Ziel ist es, die von den Kliniken übermittelten Daten zu dokumentieren und auszuwerten, um so die Qualität künstlicher Gelenke beurteilen zu können. Auf diese Weise soll sich das EPRD zu einer Art Frühwarnsystem für Fehler an den Implantaten selbst und bei den entsprechenden Operationen entwickeln.