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Hausärzte
Viele Positionen, wenig Wissen
Die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) war 2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz als Soll-Bestimmung eingeführt und 2007 mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz in eine Pflichtbestimmung umgewandelt worden. Wenn Hausärzte ihre Patienten intensiv begleiten und die Versorgung koordinieren, so die Erwartung damals, dürfte dies für mehr Effizienz und Qualität im Gesundheitswesen sorgen. Die Wissenschaftlerin Miriam Räker von der Universität Bielefeld hat nun die Positionierung der zentralen Akteure im Laufe der HzV-Entstehungsgeschichte rekonstruiert und untersucht. Im Mittelpunkt stehen dabei die gesundheitspolitischen Gestaltungsoptionen von Union, SPD, Grünen und FDP sowie von vier Interessensverbänden, darunter die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der AOK-Bundesverband. Im Ergebnis zeige sich, dass ablehnende wie auch befürwortende Argumente die Debatte gleichermaßen überlebt haben. Auffällig sei, so die Studie, dass es bis heute einen „Mangel an systematischem Wissen über die tatsächliche Qualität des Versorgungsmodells“ gäbe. Dass sich keiner der Akteure offen gegen die HzV positioniert, wertet die Autorin als „grundsätzliche Akzeptanz“ und zugleich als eine Art Kompromiss, um einen umfangreichen strukturellen Wandel hin zum Primärarztsystem zu verhindern.
Miriam Räker: Entwicklung und Wandel der hausarztzentrierten Versorgung. 2017. 405 Seiten. 59,99 Euro. Springer VS, Wiesbaden.
Gesundheitsdaten
Grenzen fürs versteckte Sammeln
Gesundheitsdaten werden an vielen Orten erhoben und mit unterschiedlichsten Interessen genutzt. Viele Patienten haben eher Verständnis dafür, wenn Daten aus ihrer Krankenakte zu Forschungszwecken verwendet werden. Besuchern von Fitnessstudios hingegen dürfte es kaum bewusst sein, dass auch sie ständig interessante Daten liefern. Eine Studie aus Bayern von 2013 belegt, dass etwa 90 Prozent der Fitnessstudios die gesetzlichen Vorschriften zum Datenschutz bis dato gar nicht beachtet haben. Dabei verstößt bereits das Anlegen eines Anwesenheitsprofils mithilfe der gescannten Mitgliedskarten oder das Hinterlegen eines Personalausweises als Pfand gegen den Datenschutz. Herausgeber Thomas Jäschke, selbst Datenschutzbeauftragter, hat in seinem Buch die rechtlichen Grundlagen und Rahmenbedingungen für das Gesundheitswesen zusammengefasst und klärt über die Neuerung durch die Europäische Datenschutz-Grundverordnung auf. Interessant sind insbesondere die kurzen Beiträge zu den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen: Neben Krankenhäusern und Arztpraxen finden sich darunter weitere Einrichtungen, die mit Konflikten im Datenschutz eher selten verknüpft werden – wie eben Fitnessstudios, Sanitätshäuser, Apotheken oder Seniorenheime.
Thomas Jäschke (Hrsg.): Datenschutz und Informationssicherheit im Gesundheitswesen. 2. Auflage. 2018. 466 Seiten. 64,95 Euro. Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.
Behinderung
Die Freiheit dennoch wagen
Fabian Sixtus Körner bereiste fünf Kontinente, arbeitete für Kost und Logis und schrieb in „Journeyman“ über seine Suche nach Freiheit und Glück. Unterwegs trifft er seine Jugendliebe Nico wieder, die inzwischen Entwicklungsarbeit macht. Sie werden ein Paar und erwarten bald ihr erstes Kind, ein Mädchen. Daraus ist jetzt ein neues, anrührendes Buch entstanden. Yanti kommt mit dem Down Syndrom auf die Welt und hat sich Fabian und Nico als Eltern geradezu ausgesucht. Nach der Geburt grübeln die Eltern zunächst, wie ihr Leben mit einer behinderten Tochter gelingen kann. Zwei Ängste quälen sie besonders: Werden sie ihre Reisesehnsucht auch als kleine Familie einlösen können? Wird ihre behinderte Tochter als Außenseiterin von der Gesellschaft abgelehnt werden? Bald ist klar: Yanti macht ihre Eltern einfach nur glücklich, und so beschließen sie, gemeinsam auf Reisen zu gehen. Die Ärzte unterstützen wider Erwarten den Plan, mehrere Monate in der Karibik zu verbringen. Die Meeresluft wird Yantis Lunge guttun, in der Wärme wird sie sich leichter bewegen können als im frostigen Berlin. Das Leben mit Yanti wird so nicht zur Zwangsjacke aus Sorgen, sondern erlaubt ihnen auch vor einer Gesellschaft zu fliehen, die sie mit Vorurteilen und Ansprüchen erschreckt.
Fabian Sixtus Körner: Mit anderen Augen. Wie ich durch meine Tochter lernte, die Welt neu zu sehen. 2018. 224 Seiten. 15 Euro. Ullstein Buchverlage, Berlin.
Social Media
Nachdenken statt Dauerklicken
Allein in Deutschland nutzen mehr als 30 Millionen Menschen die Social-Media-Plattform Facebook. Weltweit sind es mehr als 2,5 Milliarden. Das dauerhafte Online-Sein ist für einige von ihnen längst zur Sucht geworden. Schließlich ist das Medium klug aufgebaut, um bei Langeweile und Einsamkeit schnell für Unterhaltung und digitale Streicheleinheiten zu sorgen. Rote Punkte, Kästchen oder Vibrationen lösen den Sog aus – schnell nachschauen, was sich getan hat, wer geantwortet hat oder wo die anderen so unterwegs sind. Ben Springer, der als Ben Bennett bereits mehrere Romane geschrieben hat, hat sich für das „Facebook-Aufhörbuch“ mit Kurosch Yazdi zusammengetan, einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut aus Linz. In „Klick und weg“ bemühen sich die beiden Autoren sehr dosiert und zugleich möglichst leichtgängig auf die vermeintlich süchtige Leserschaft einzugehen und sie nicht zu überfordern. Pro Seite findet sich meistens nur ein Satz, höchstens zehn Sätze in einer jugendlichen Ratgeber-Sprache, dazu locker verteilte Illustrationen und Fotos. Wer sich so durch die 180 Seiten blättert, erhält am Ende ein schlichtes Sieben-Tage-Programm zum Nachdenken darüber, was das Leben jenseits von Facebook noch zu bieten hat.
Ben Springer, Kurosch Yazdi: Klick und weg. Das Facebook-Aufhörbuch. 2018. 192 Seiten. 19,95 Euro. edition a, Wien.