Gretchenfrage Datennutzung
Viele wollen sie von uns, manche bekommen sie auch, ohne dass wir es merken. Daten sind das neue Gold. Für den Umgang damit brauchen wir Regeln – gerade im Gesundheitswesen. Von Ines Körver
„Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hälst nicht viel davon.“ Ersetzen wir „Religion“ durch „Daten“, so haben wir Gretchen mit ihrer berühmten Schicksalsfrage an Faust ins 21. Jahrhundert katapultiert. Wie wir es mit den Daten halten, ist eine zentrale Frage, die über vieles entscheiden wird: Arbeitsplätze und -prozesse, Prosperität, Freiheiten und natürlich über unsere Gesundheit.
Wer darf was von wem erfahren
und wofür darf und soll er sein Wissen nutzen? Das gilt es zu klären. Aus Angst davor, dass Daten in die falschen Hände geraten können, keine Daten zu sammeln, ist keine Alternative, wenn auch eine typisch deutsche Denke. Klar, wir wollen vermeiden, dass – sagen wir einmal – der Arbeitgeber von der Hepatitis erfährt, die wir uns in der Kindheit zugezogen haben, weil sonst leicht der Eindruck entsteht, wir haben im Dienst getrunken oder tuen das noch. Der Zahnarzt muss das doch auch nicht wissen, oder doch? Da fängt es schon an, schwierig zu werden, denn eine Hepatitis ist eine Leberentzündung. Sie kann zu einer dauerhaften Schwächung des Organs führen und ist daher bei der Gabe von Medikamenten zu berücksichtigen. Das zeigt: Wenn im Gesundheitswesen keine oder nur wenige Daten erhoben werden dürfen, dann kann man uns auch nicht gut medizinisch versorgen.
Wir brauchen also einen gesunden Kompromiss, irgendetwas zwischen nichts und alles, oder besser: zwischen wenig und viel. Die G+G-Wissenschaft geht in ihrer aktuellen Ausgabe der Frage nach dem richtigen Maß und der richtigen Auswahl nach.
Die zwei Analysen des neuen Hefts
nehmen dabei unterschiedliche Perspektiven ein: Holger Gothe, Enno Swart und Peter Ihle betrachten Datennutzung aus dem Blickwinkel der Versorgungsforschung, Peter Haas aus dem der Verbraucher und Patienten. Die Autoren zeigen auf, welche Fallstricke wo liegen und mit welchen Problemen Otto Durchschnittsuser noch allein gelassen wird.
Übrigens: Im Drama bleibt Faust Gretchen die Antwort auf die Frage schuldig. Er will ihr nicht gestehen, dass er einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hat, denn er fürchtet, dass Gretchen ihn nicht erhört, wenn er sagt, dass er der Religion abgeschworen hat. Das Resultat ist bekannt: Er stürzt sich und sie ins Unglück. Aus der Geschichte lässt sich für das Thema Datennutzung lernen. Antworten müssen her, auch wenn sie vielleicht nicht immer bequem sind, nur befristet gelten und unvollständig sein werden.
Lesen Sie jetzt die Beiträge zum Schwerpunkt „Gesundheitsdaten“ in der aktuellen G+G-Wissenschaft.